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Der Mythos von 68 Ein Streitgespräch
über die Spätfolgen
Podiumsdiskussion mit
Wolfgang Kraushaar, Leander
Scholz, Barbara
Sichtermann, Uwe
Timm
Moderation: Martin
Lüdke
Die Aufregung war beachtlich. Der junge Mann hat hingelangt und zwar kräftig.
Die Bilder ließen keinen Zweifel aufkommen. Und schon waren sie
wieder da, die bigotten, spendengeschädigten Hüter unserer Grundordnung,
forderten mit scheinheiliger Empörung den Rücktritt des Außenministers.
Ein Sturm im Wasserglas? Selbst der geprügelte Polizist meinte trocken,
dass ja nicht jeder von sich sagen könne, dass er von einem Außenminister
und Vize-Kanzler vermöbelt worden sei. Wie auch immer. Joschka Fischer
hat die Diskussion um seine radikale Vergangenheit unbeschadet überstanden.
Immerhin ist dabei klar geworden, dass dieses Kapitel, für viele
ein Stück ihrer Lebensgeschichte, Geschichte geworden ist. Und dass
sich daher neue Fragen stellen. Zudem ist unterdessen klargeworden: 68
hat nicht erst Neunzehnhundertachtundsechzig angefangen und nicht schon
Neunzehnhundertachtundsechzig aufgehört. We shall overcome,
die Zuversicht, die aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung schon
zu Beginn der sechziger Jahre über den Atlantik schallte, auch bis
zu uns, nach Deutschland, hat tatsächlich die Welt verändert.
Man kann von einem Modernisierungsschub sprechen, der Anpassung an die
veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 68 bezeichnet nicht nur eine
politische Bewegung. 68 steht für eine wirkliche Kulturrevolution.
Die antiautoritären Impulse der Studentenbewegung, die rasante sexuelle
Liberalisierung, Tendenzen der Demokratisierung in allen gesellschaftlichen
Bereichen, Motive des Aufbegehrens in den Schulen und Universitäten,
in Musik, vor allem in der Pop-Musik, aber auch in Film, Theater, Kunst
und Literatur, kurzum: die Welt veränderte sich sichtbar. Der Soziologe
Niklas Luhmann hat eine prägnante Formulierung dieses Tatbestands
vorgeschlagen: Zufällige Vorfälle, der Schuss auf Benno
Ohnesorg zum Beispiel, schossen die Studenten aus der Gesellschaft heraus
- und von da ab konnte man über den Rasen laufen. 68
steht aber bekanntlich auch für die politische Bewegung. Die weltweiten
Proteste gegen den amerikanischen Krieg in Vietnam. Die Kampagne gegen
die Notstandsgesetze der Bonner Bundesrepublik, der Französische
Mai und schließlich der Prager Frühling, das heißt der
im August 1968 unter den sowjetischen Panzern endgültig gescheiterte
Versuch, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu verwirklichen.
Doch 1969 war der Traum von der Revolution ausgeträumt. Die Bewegung
zersplitterte. Ein Teil radikalisierte sich, bis hin zu bewaffneten Gruppierungen
wie etwa der RAF. Auch das ist alles Geschichte. Aus diesem Umstand hat
zum Beispiel der junge Schriftsteller Leander Scholz die Lizenz bezogen,
eine Episode der RAF, die Beziehung zwischen Andreas Baader und Gudrun
Ensslin, im Stil von Bonny und Clyde zu beschreiben, als private
Räuberpistole. Darf man das? Wie stehen wir heute zu 68?
Ein Gespräch zwischen den Generationen, mit Protagonisten, Zaungästen
und Nachgeborenen.
Martin Lüdke
Freitag, 24. August 2001, 19.00 Uhr, Markgrafentheater Oberes Foyer
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W. Kaushaar

L.
Scholz

B.
Sichtermann

U.
Timm

M.
Lüdke
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