Leander Scholz


   

Es beginnt am 2. Juni 1967, mit den Schüssen auf den Berliner Studenten Benno Ohnesorg. Eine Liebesgeschichte zwischen Andreas und Gudrun. Es geht weiter mit dem Brandanschlag auf ein Frankfurter Kaufhaus. Es endet mit dem deutschen Herbst. Es geht um Gudrun Ensslin und Andreas Bader. So wie hier wurde diese Geschichte noch nie erzählt. Natürlich nicht. Denn der Autor, 1969 in Aachen geboren, erzählt von Gestalten, die bereits „Gespenster“ geworden waren, als sein bewusstes Leben begann. Der Roman erschien in diesem Frühjahr. Der Zeitpunkt war günstig. Die Gespenster geisterten gerade wieder einmal durch die öffentliche Diskussion. Joschka Fischers Jugend stand zur Debatte. Deshalb war die Resonanz auf den
Roman des jungen Mannes so enorm, und die Aufregung so erstaunlich.
„Mein Gott, was für ein kümmerlicher Roman.“ - schrieb Uwe Wittstock in der Welt. Es falle ihm schwer, „einen positiven oder auch diskussionswürdigen Aspekt auszumachen“. Der Autor habe „die bekannte Geschichte (die, weil sie bekannt ist, keineswegs zum Mythos geworden ist) in eine Art von Melodram umgeschneidert“, donnerte Wilfried F. Schoeller im „Berliner Tagesspiegel“. „Man kann das machen: die ,kalten Helden’ der RAF mit Innenleben ausstatten. Man muß es aber können.“ forderte forsch die „Badische Zeitung“. Und nassforsch dekretierte sie weiter: Die Verkleinerung der Figuren „aufs Hänsel-und-Gretel-Format“ funktioniere nicht. Von der FAZ bis zur taz – der ganze Blätterwald rauschte, nur weil es ein junger Schriftsteller gewagt hatte, an das – wie es scheint – Allerheiligste der Nation zu rühren. Die Empörung war nahezu einhellig. Selten hat das Debüt eines jungen Schriftstellers so viel Aufmerksamkeit erfahren. Und, wenn auch ausführlich und bestens aufgemacht, so viel Ablehnung. Nur „Frankfurter Rundschau“ und „Zeit“ gaben sich gedämpfter. Iris Radisch meinte in der „Zeit“: „Von der gewaltigen Ästhetik des Schreckens“ – an die der Autor offenbar anknüpfen wollte – sei „nicht viel mehr als eine zahme Ästhetik der Schreckschusspistole übriggeblieben“, um allerdings noch einzuräumen, dass es der Autor darauf angelegt habe, „die verlorenen Visionen, die Radikalität früherer Epochen für die Literatur zurückzuerobern.“ Das heißt: Die Geschichte der RAF wird nicht erzählt, „um die Vergangenheit vor sich selbst, sondern um die Gegenwart vor ihren Verteidigern zu retten. Der literarische Brandstifter unter den Biedermännern seiner Generation will nicht rechtfertigen, was geschehen ist, sondern ästhetisch fortsetzen, was einmal politisch beabsichtigt war.“ Leander Scholz, der Philosophie in Bonn und Paris studiert hat, weiß, was er wollte. Er ist durchaus fähig, sich gegen die wortreiche, oft aber etwas begründungsschwächere Kritik zu wehren. (M.L.)

 

 

Veröffentlichungen:
– „Jungfernpergament“, Bilger Verlag, Zürich 1995
– „Zwei gegen Einen“, cc, carbon copy books no. 2, Tropen Verlag, Köln 1998
– „Die Akte Ex. Abrechnungen mit der Liebe von gestern“, Hrsg. zus. mit Michael Zöllner, Rowohlt TB, Reinbek 2000
– „Rosenfest“, Roman, Hanser, München Frühjahr 2001

Termin:
Freitag, 24. August 2001, 19.00 Uhr, Markgrafentheater
Sonntag, 26. August 2001, 17.00, Schlossgarten

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