Wolf Wondratschek


   

Wolf Wondratschek wurde1943 in Rudolstadt/Thüringen geboren. Seine Vorfahren stammen aus Böhmen. Wondratschek wuchs in Karlsruhe auf. Er studierte 1962-1967 in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt a.M. Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie. 1964-1965 arbeitete er nebenbei als Redakteur bei der Literaturzeitschrift „Text + Kritik“ in Frankfurt.
Seit 1967 ist Wondratschek als freischaffender Schriftsteller und Kritiker tätig. 1970-1971 hielt er sich in London auf und hatte eine Gastdozentur für Poetik an der Universität Warwick inne. 1977-1978 führte ihn eine Vortragsreise durch amerikanische Universitätsstädte.
Wolf Wondratschek wurde Ende der 60er Jahre in der Nachfolgezeit der Studentenbewegung mit knapper Prosa und Satzcollagen bekannt, in denen das Dasein zu lakonischen Einzelbemerkungen aufgesplittert war. „Der Spiegel“ nannte den mit der Frankfurter APO-Szene verquickten Wondratschek den „ersten SDS-Genossen, der diskutable Belletristik präsentiert“ und „Zustände und Zusammenhänge“ bundesdeutscher Gegenwart von links kritisiert. Mit dem Verebben der neulinken Bewegung wandte sich Wondratschek der Poesie zu und avancierte nach Kritikermeinung zum „einzigen deutschsprachigen Rock-Poeten mit Breitenwirkung“. In den 70er Jahren nannte Marcel Reich-Ranicki Wondratschek „beinahe schon einen Klassiker der jungen deutschen Lyrik“.
Wondratscheks erste Gedichte erschienen 1965 in Arnfried Astels „Lyrischen Heften“. 1968 erhielt er (als erster Preisträger) den Leonce-und-Lena-Preis für das Gedicht „Als Alfred Jarry merkte, daß seine Mutter eine Jungfrau war bestieg er sein Fahrrad“ (abgedruckt 1967 in der Anthologie „außerdem“). 1969 legte Wondratschek mit „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“ seinen ersten kurzen Prosatext vor, mit dem er sich als Anti-Erzähler auswies. Für sein Hörspiel „Paul oder die Zerstörung eines Hör-Beispiels“ (1969), erhielt Wondratschek 1969 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Die Entgegennahme des Preises im Bonner Bundeshaus lehnte er ab, um nicht ein Repräsentant für „das gute Verhältnis des Schriftstellers zum Staat“ zu sein. Ab 1974 veröffentlichte Wondratschek Gedichte und Lieder im Selbstverlag, die über den Vertrieb Zweitausendeins auf den Buchmarkt kamen. 1981 erreichten seine vier Gedichtbände „Chuck’s Zimmer“ (1974), „Das leise Lachen am Ohr eines andern“ (1976), „Männer und Frauen“ (1978), „Letzte Gedichte“ (1980) bereits eine Gesamtauflage von 100.000 Exemplaren.
Ein großes episches Poem mit vielen autobiografischen Bezügen stellte Wondratschek 1986 mit „Carmen oder Bin ich das Arschloch der achtziger Jahre“ vor. Die Kritik zeigte sich zurückhaltend.
Einen Zyklus von 35 Gedichten legte Wondratschek 1997 unter dem Titel „Das Mädchen und der Messerwerfer“ vor. Es folgte 1998 der autobiografisch durchwirkte Briefband „Kelly-Briefe“.
Erzählen ist für Wondratschek Begegnung mit dem totalen Empfinden, früher als politisch-literarischer Provokateur, heute als „Höriger der Kunst“ im Verletzen und Verletzt-Werden. Sein Comeback vor wenigen Jahren brachte den ehemaligen Pop-Poeten in einem fulminanten Durchlauf unter die Tops der Bestenlisten. Als „intelligent, bezaubernd und erfrischend befremdlich im Spektrum der Gegenwartsliteratur“ wird seine jüngste Erzählung „Mozarts Friseur“ bewertet.

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“, Hanser, München 1969, Taschenbuch dtv, München 1972 und 1982
– „Ein Bauer zeugt mit einer Bäuerin einen Bauernjungen, der unbedingt Knecht werden will“, Hanser, München 1970, Taschenbuch dtv, München 1972 und 1982
– „Die Hundente“, zus. mit Bernd Brummbär, März-Verlag, Frankfurt a.M. 1972
– „Omnibus“, Hanser, München 1972
– „Chuck’s Zimmer“, Gedichte/Lieder, Selbstverlag, München 1974, Taschenbuch Heyne, München 1982
– „Das leise Lachen am Ohr eines andern“, Gedichte/Lieder 2, Selbstverlag, München 1976
– „Männer und Frauen“, Gedichte/Lieder 3, Selbstverlag, München 1978
– „Letzte Gedichte“, Selbstverlag, München 1980
– „Mein Lesebuch“, Anthologie, Hrsg., Fischer, Frankfurt a.M. 1982
– „Die Einsamkeit der Männer. Mexikanische Sonette (Lowry-Lieder)“, Diogenes, Zürich 1983 und 1996
– „Carmen oder Bin ich das Arschloch der achtziger Jahre“, Diogenes, Zürich 1986
– „Menschen Orte Fäuste. Reportagen und Stories“, Diogenes, Zürich 1987, Taschenbuch ebd. 1996
– „Einer von der Straße“, Roman, Bertelsmann, München 1992
– „Die Gedichte“, Diogenes, Zürich 1992
– „Oktober der Schweine“, limitierte, signierte und nummerierte Ausgabe, hrsg. von Wolfgang Rüger, Paria, Frankfurt a.M. 1993
– „Liebesgedichte“, Diogenes, Zürich 1997
– „Das Mädchen und der Messerwerfer“, Gedichte, Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 1997
– „Kelly-Briefe“, zus. mit Lilo Rinkens, Matthes & Seitz, München 1998, Taschenbuch Goldmann, München 2000
– „Die große Beleidigung“, Vier Erzählungen, Hanser, München 2001, Taschenbuch dtv, München, März 2003
– „Mozarts Friseur“, Roman, Hanser, München 2002
Hörspiele (Auswahl):
– „Freiheit oder ça ne fait rien“, SR, 7.2.1966
– „Ezra Pound. Ein Gespräch zwischen Eva Hesse, Horst Bienek und Wolf Wondratschek“, HR, 23.5.1968
– „Zufälle“, SR/WDT, 12.3.1969
– „Paul oder die Zerstörung eines Hör-Beispiels“, WDR 6.11.1969, Hanser, München 1971
– „Einsame Leichen“, WDR, 4.11.1970
– „Kann das Quietschen der Straßenbahn nur eine Frau gewesen sein?“, WDR, 26.1.1972
– „Maschine Nr. 9“, zus. mit Bernd Brummbär und Georg Deuter, BR/HR/NDR, 1.6.1973, University of Warwick, Department of German Studies, Warwick 1973
Filme:
– „Im dunklen Herz des Nachmittags“, Regie: Werner Schroeter, 1976
– „Violanta“, Kinofilm, Drehbuch zus. mit Daniel Schmid nach C.F. Meyer „Die Richterin“, Regie: Daniel Schmid, 1977
– „Neapolitanische Geschwister“, Kinofilm, Drehbuch zus. mit Werner Schroeter, Regie: Werner Schroeter, 1978
– „Der Bauer von Babylon – Rainer Werner Fassbinder dreht ‚Querelle’“, Dokumentarfilm, Drehbuch zus. mit Dieter Werner Schidor, Regie: Dieter Werner Schidor, 1982

Termine:
– Donnerstag, 29. August 2002, 20,30, Markgrafentheater, Das Autorenporträt: Wolf Wondratschek

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