Uwe Timm – „Licht! Kein Sprengstoff!“

Lesung und Gespräch mit Martin Lüdke

„Ich schwebe. Von hier oben habe ich einen guten Überblick, kann die ganze Kreuzung sehen, die Straße, die Bürgersteige. Unten liege ich. Der Verkehr steht.“ Das ist die durchaus ungewöhnliche Ausgangssituation für einen weitausgreifenden Monolog. Denn lange hat der Beerdigungsredner und Jazzkritiker Thomas Linde nicht mehr zu leben; es sind nur noch Sekunden, die jedoch reichen – für den Film, der auf der Schwelle zum Tod bekanntlich ablaufen soll, im Zeitraffer, versteht sich.
Uwe Timm, mit „Rennschwein Rudi Rüssel“ in jeder besseren Kinderstube vertreten, präsentiert mit diesem Projekt zweifellos sein opus magnum. Der Roman „Rot“, zwar nicht minder leichthändig und locker erzählt als, zum Beispiel, „Die Entdeckung der Currywurst“, ist dennoch ein ambitioniertes Unternehmen. Timm erzählt auf mehreren Ebenen. Sein Held, der Beerdigungsredner Thomas Linde versucht, dem Leben eines seiner ehemaligen Genossen, eines Kämpen aus der Zeit von 1968, der später, wie viele seiner Generation ausgestiegen ist, und sich schließlich als alternativer Stadtführer durchgeschlagen hat, in seiner Trauerrede einen Sinn zu geben. Kein einfaches Unterfangen. Klar, dass da die Erinnerungen an jene Jahre hereinspielen. So gesehen ist „Rot“ auch ein Roman über ’68. Auf der anderen Seite wird die eigene Lebensgeschichte des Jazzkritikers Linde entfaltet, von seiner Jugend in der frühen Bundesrepublik erzählt, von seinen Frauen, von seinem großen theoretischen Projekt, einer Untersuchung über die Farbe Rot, von seinen Ideen und ihrem zunehmenden Zerfall. In diesem Sinne wird auch Bilanz gezogen. Uwe Timm, der bereits 1974 mit „Heißer Sommer“ den ersten großen Roman über die deutsche Studentenbewegung vorgelegt hatte, und immer ein politisch reflektierter Autor geblieben ist, ohne jemals seine Neigung zum Fabulieren zu verleugnen, versucht in dem neuen Roman, in diesem großen inneren Monolog des sterbenden Beerdigungsredners Thomas Linde, gleichsam die Summe seines Werkes zu ziehen: den Roman seiner Generation zu schreiben. Das allerdings, schließlich war der Held ein Jazzer, Jazzkritiker sogar, auf eine musikalische Weise.
Martin Lüdke

Termin:
Sonntag, 26. August 2001, 15.00 Uhr, Schlossgarten

Martin Lüdke
M. Lüdke

Uwe Timm U. Timm

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