Podium International: Claudio Magris


   

„Die Welt en gros und en détail“

Er gehört durch Herkunft, Bildung und Neigung zu den europäischen Intellektuellen. Claudio Magris ist 1939 in der Vielvölkerstadt Triest geboren und lehrt dort deutsche Literatur. Schon mit 24 Jahren veröffentlichte er ein Buch, in dem er sich mit dem „habsburgischen Mythos in der österreichischen Literatur“ auseinandersetzte. 1974 hat er in „Weit von wo“ die verlorene Welt des Ostjudentums berufen. Sein großes Werk über die Donau versteht sich als „Biographie eines Flusses“, als Urbild des verbindenden Stromes, der auf seinem Weg von 3000 Kilometern durch acht Länder führt und unendlich viele Geschichten aus der Geschichte angelagert hat. Magris hat sich immer als Dolmetscher verschiedener Kulturen verstanden. Er gehörte bereits vor dem Fall des Eisernen Vorhangs zu den Intellektuellen, die gegen die Regimegrenzen und Mauern den alten Traum von Mitteleuropa wiederbeleben wollten: eine Einheit, die sich den nationalstaatlichen Markierungen versagt und die auf einer kulturhistorischen Einheit besteht, die auch die Länder des Ostens umschließt. Die humanistische Tradition, in der er verwurzelt ist, hält er für ihr Erbe, das es zu verteidigen und wiederzubeleben gilt.

 

 

 

Claudio Magris steht zwischen den Literaturen: einerseits verkörpert er den Typus des Wissenschaftlers, der große Stoffmassen zu bewegen weiß, andererseits ist er ein Essayist, der dem subjektiven Blick Raum gibt, zum dritten aber ist er Literat. Seine erste Erzählung erschien 1986: „Mutmaßungen über einen Säbel“ ruft die letzten Kriegstage auf, in denen die mit Hitler kollaborierenden Kosaken im Karstgebirge des Friaul ausweglos verharren. In seinem Werk stehen Geschichten wie „Ein anderes Meer“ neben Essays über „großen Stil und Nihilismus in der modernen Literatur“, das Großbild einer Multikultur, die seine Herkunft und seine Familie bestimmt, neben dem Bekenntnis zu den Entlegenen und Verschollenen in der Geschichte.
In einem Selbstporträt hat er 1989 notiert: „Er ist ein unermüdlicher Reisender, der durch die Welt zieht und sein Heim und sein Wohnviertel liebt; er verabscheut die Stille von Bibliotheken und schreibt im Zug und vor allem im Kaffeehaus.“ Claudio Magris ist ein Flaneur und Weltenbummler, ein Liebhaber des Wassers und alles Fließenden, ein unermüdlicher Finder und Erfinder. Wo er ist, gibt es eine Metropole des Geistes.
Wilfried F. Schoeller

Im Anschluss an Gespräch und Lesung wird ein ausführliches Filmporträt gezeigt: „Zwischen Alpen, Karst und Adria – Der Schriftsteller Claudio Magris“, das Dietrich Leube 2000 für das Bayerische Fernsehen drehte.

 

 

Termin:
– Sonntag, 1. September, 20.30, Markgrafentheater, Podium International: Claudio Magris

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