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Robert Menasse
– „Im Dunkeln ist alles vorstellbar“
Lesung und Gespräch mit Verena
Auffermann
Kann man an Zufall glauben? Der bekannte österreichische
Schriftsteller und Essayist Robert
Menasse sieht in einem Museum das Porträt eines Mannes mit großem
Hut und langem Bart, erkennt, dass Rembrandt das Bild, das den Rabbi Manasse
darstellt, gemalt hat, aber Robert Menasse liest „Robbi Manasse“,
weil er selbst als Kind „Robbi“ genannt wurde und da nur ein
einziger Buchstabe Manasse und Menasse unterscheidet, ist die Neugier
da, die Spur gelegt. Vier Jahre hat Robert Menasse an diesem dicken Buch
gearbeitet.
Rabbi Manasse ben Israel war Bibelausleger, Schatzmeister von König
Ferdinand und Königin Isabella von Spanien, musste vor der Inquisition
fliehen, kam nach Amsterdam und wurde Lehrer des Philosophen Baruch Spinoza.
Robert Menasse reist zu den Archiven in Amsterdam und Lissabon und erforscht
das Leben dieses um 1604 in Lissabon geborenen Mannes. Aber natürlich
will ein politisch aktiver Schriftsteller wie Robert Menasse keinen historischen
Roman schreiben, sondern mit seinem Stoff Österreichs Haider-Gegenwart
treffen. So erfindet er die Figur des 1955 geborenen Wiener Historikers
und Spinozaforschers Viktor Abravanel, der bei der Feier zum Jahre zurückliegenden
Abitur in einem Wiener Lokal, zu dem auch einige der alten Lehrer gekommen
sind, aufsteht und eine Rede hält. „Ich finde“, beginnt
er, „um zu verstehen, was ein Mensch geworden ist, kann es auch sehr
lohnend sein, zu fragen: Wer waren seine Lehrer?“ Und dann nennt
Abravanel die Namen der anwesenden Lehrer und ihre Parteimitgliedschaft
in der NSDAP, bis der Direktor „es reicht!“ brüllt und
die ehemaligen Schüler und ehemaligen Lehrer entrüstet das Hinterzimmer
des Wiener Lokals, bis auf Hildegund, seine Freundin aus Schülertagen,
verlassen.
Viktor Abravanel hat eine Gesprächspartnerin und Robert Menasse benutzt
diese absurde Situation, um die Erinnerung zurücklaufen zu lassen.
Parallel zum Gespräch im Wiener Lokal erzählt Robert Menasse
die Geschichte des Rabbi Manasse und man kann es kaum glauben, dass zwei
durch dreihundertfünfzig Jahre voneinander getrennte Lebensläufe
und Denkläufe zueinander passen, und wie Robert Menasse es schafft,
vom Wien des späten 20. Jahrhundert in das Zeitalter der Inquisition
vor und wieder zurückzublenden. Wer daran zweifelt, dass Geschichte
ein Kontinuum ist, zu dem der Hass auf die Juden gehört, Robert Menasse
hat es in seinem Roman „Die Vertreibung aus der Hölle“
bewiesen.
Verena Auffermann
Termin:
Sa, 25. August 2001, 16.00 Uhr, Schlossgarten
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V.Aufferman

R. Menasse |