1959 in einem Dorf in der
Eifel geboren, machte Arnold Thünker nach dem Studium eine Buchhändlerlehre,
ging nach New York, wo er im berühmten Antiquariat „Strand“
Nachlässe von deutschen Emigrantenfamilien katalogisierte, und leitete,
bis zu dessen Ende, den Verlag Bruckner & Thünker in Köln.
In diesem Frühjahr ist sein erster Roman bei Kiepenheuer & Witsch
erschienen: „Keiner wird bezahlen“. Seine autobiografischen
Erinnerungen an eine Jugend irgendwo zwischen Rhein und Eifel, die Schikanen
eines versoffenen Vaters gegenüber der todkranken Mutter und gegenüber
sich selbst, sechzehnjähriger Gastwirtssohn, sind von bedrückender
und äußerst berührender Art.
Mindestens so intensiv wie die Erinnerungen an das „Familienleben“
und das „Leben auf dem Lande“ werden die Erinnerungen an eine
verbotene Liebesaffäre des Jugendlichen erzählt, dessen Leben
von Kindesbeinen an aus Bierzapfen, Gläserspülen und Frikadellenbraten
besteht. Aber die verheiratete Frau verschafft dem Ich-Erzähler nicht
jenes Glücksgefühl, wie es einem bei solchen Anlässen vielleicht
im Paradies widerfährt. Die Dramatik der Liebesgeschichte rührt
daher, dass ihr Mann ein Kumpel ist.
Arnold Thünkers Erinnerungen an die siebziger Jahre haben nichts
Auftrumpfendes. Von schöner Afri-Cola-Welt, Kifferpartys, Wohngemeinschaftseuphorie
und Pop-Kultur keine Spur. Nicht Studenten geben hier den Ton an, sondern
echte Angeber an der Theke. Lehrlinge, Arbeiter, Tagediebe, Grobiane.
Arnold Thünker schafft es, jene harmlosen, stumpfsinnigen, langweiligen,
für ihn, wie es scheint, auch brutalen Jahre in der Provinz, vor
dem Vergessen zu bewahren.
„Keiner wird bezahlen“ ist burleskes Sittengemälde und
Schelmenroman zugleich, ein Roman vom schnellen Erwachsenwerden, ein Dorfroman
zumal, wie er seit Thomas Bernhards und Josef Winklers Beschwörungen
der „nature morte“ vor allem in der österreichischen
Literatur zu finden war. Selten zuvor wurde in der deutschen Gegenwartsliteratur
ein „Leichenschmaus“ so beklemmend realistisch beschrieben
wie von Arnold Thünker. Sein Gespür für das Groteske teilt
er mit dem Schweizer Schriftsteller Hermann Burger. Die Spielregeln bei
einer „Hahnenkönig-Wahl“ werden mit blutiger Konsequenz
literarisch nachvollzogen. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Bei
Erscheinen des Debüts in diesem Frühjahr schrieb die Süddeutsche
Zeitung: „Vielleicht eine ganz durchschnittliche Jungmännergeschichte,
aber Thünker erzählt sie mit einer solchen Intensität und
einem bohrenden Wahrheitswillen, dass ihr Schmerz noch eine Weile im Leser
nachwirkt.“ (H.St.)
Veröffentlichung (Auswahl):
– „Keiner wird bezahlen“, Roman, Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2004
So, 29.8., 18 Uhr, Schlossgarten
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