Kathrin Röggla


   

Sprachkritik ist Gesellschaftskritik. Das weiß man in Österreich schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Kathrin Röggla lässt sich von der vordergründigen Logik menschlicher Handlungsweisen nicht blenden und rückt den Erscheinungsformen des Alltags mit sezierendem Blick auf die Pelle – literarisch kommt dabei eine radikale Zeitgenossenschaft heraus, ein temporeicher Sound von heute. Lustvoll nimmt die gebürtige Österreicherin Gemütslagen in den Blick, die Plappereien überdrehter Figuren werden zu Schichtungen, sie kommentiert, zerlegt, setzt neu zusammen und treibt den Leser zu Erkenntnisschüben an. Wortspiele, Sprachbilder, Bildbrüche sind ihre Spezialität.
In ihrem neuesten Roman „wir schlafen nicht“ macht Kathrin Röggla, 1971 in Salzburg geboren und inzwischen in Berlin zu Hause, das Selbstverständnis von Key-Account-Managern, IT-Supportern und Online-Redakteuren zum Gegenstand ihrer Recherche. Was für ein Dasein führt diese Spezies? 14 bis 18 Stunden im Büro, das gefällt den Typen im Anzug. Ein Ich, das sich entfremdet fühlen könnte, scheint nicht mehr zu existieren: „man könne nicht vorschlafen, das sei seine meinung. also, wenn man ihn fragen würde, dann müsse er sagen, praktisch ein ding der unmöglichkeit. der körper speichere alles mögliche, aber schlaf, das schaffe er nicht. man müsse sich eben nach anderen möglichkeiten umsehen“. Kathrin Röggla montiert Erfahrungsberichte von Leuten, die als Leistungsträger gelten, zu einem beunruhigenden Chorgesang. Moderne Leibeigenschaft: die hysterische Affirmation des Hyperkapitalismus entlarvt sich selbst. (M.A.)
Auszeichnungen u.a.: Alfred-Döblin-Stipendium, Reinhard-Priessnitz-Preis für junge Autoren (1995), Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1997/98), Kolik-Literaturpreis (2000), Sacher-Masoch-Preis, Österreich (2001), Italo-Svevo-Preis, New York-Stipendium des Deutschen Literaturfonds (2001), Ernst-Nossack-Förderpreis (2003), Förderpreis zum Schiller-Gedächtnis-Preis (2004).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Niemand lacht rückwärts“, Erzählungen, Residenz, Salzburg 1995, Taschenbuch Fischer, Frankfurt a.M. 2004
– „Abrauschen“, Roman, Residenz, Salzburg 1997, Taschenbuch Fischer, Frankfurt a.M. 2001
– „Irres Wetter“, Roman, Residenz, Salzburg 2000, Taschenbuch Fischer, Frankfurt a.M. 2002
– „really ground zero. 11. september und folgendes“, Taschenbuch Fischer, Frankfurt a.M. 2001
– „wir schlafen nicht“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a.M. 2004

Internet (Auswahl):
– Mitarbeit an www.werkleitz.com
– Mitglied der Gruppe „test bed“: www.elektrotraum.de

Hörbücher (Auswahl):
– „Irres Wetter“, CD, gelesen von der Autorin, Audiobuch-Verlag, Freiburg 2000
– „Verwünschungen“, CD zus. mit Felicitas Hoppe und Birgit Vanderbeke, Autorenlesungen, Audiobuch-Verlag, Freiburg 2001

Theater:
– „fake reports. Die 50 mal besseren Amerikaner“, UA Volkstheater Wien, Oktober 2002
– „totficken. totalgespenst. topfit“, UA im Rahmen der Hommage an Werner Schwab anlässlich seines 10. Todestages, Burgtheater Wien, Dezember 2003
– „Sie haben soviel Liebe gegeben, Herr Kinski“, UA Theater im Pumpenhaus, Münster, März 2004
– „wir schlafen nicht“, UA Schauspielhaus Düsseldorf, April 2004

Sa, 28.8., 17 Uhr, Schlossgarten