Brigitte Oleschinski


   

Wie Gedichte denken? Die 1955 in Köln geborene und in Berlin lebende Dichterin Brigitte Oleschinski zeigt es in ihrer Art der sinnlichen Verknüpfung von eminent poetischen Bildern und filigranen Gedankenfiguren. In den Essays ihres Bandes „Reizstrom in Aspik“ (2002) gelingt ihr immer wieder die Verschränkung von poetischer und begrifflicher Reflexion. Hier beschreibt sie auch in akribischer Genauigkeit die Rückbindung des Gedichts „an elementare Körperfrequenzen wie Atem, Herzschlag, Schrittmaß ...“. In den Gedichten selbst, z.B. in den Bänden „Mental Heat Control“ (1990) und „Your passport is not guilty“ (1997), entfalten sich seltsam flirrende Epiphanien und hyperrealistische Wahrnehmungen, die sich an akustischen oder visuellen Eindrücken entzünden und unscheinbarste Details festhalten: etwa „ein mattgrünes Lämpchen, nachts in einer Parkbucht unter den Abschlepp / kränen“, „Heckscheibendrähte“ oder ein „Tankflügel- / stutzen“. An den Kreuzungspunkten der flüchtigen Wahrnehmungen, Körperempfindungen und Erinnerungsfragmente entsteht die Figuration des Gedichts, wobei die einzelnen Verse immer in einer zarten Schwebe bleiben. 1998 erhielt sie für diese intelligenten Verskunststücke den renommierten Peter-Huchel-Preis. In der Bewusstseinspoesie der studierten Zeithistorikerin, die 1992 ein Dokumentationszentrum zur Geschichte der Haftstätten im Nationalsozialismus und der Sowjetischen Besatzungszone mitbegründet hat, gibt es auch politische Konnotationen. Sie werden aber eher verborgen denn ausgestellt.
In Oleschinskis jüngstem Band „Geisterströmung“ erwacht ein neues poetisches Erkenntnisinteresse: Es beginnt eine Zeitreise durch fremde Kulturen Asiens, hin zu einer neuen Wahrnehmung des Körpers, die auch die Erfahrung von Eros und Sinnlichkeit neu aufschließt. Es geht um die Entäußerung der Stimme, um die Teilhabe am „Klang des Denkens“: „eine Stimme wie Schwefel / aus den Tiefen der Tektonik, die die Eingeweide betört, verstören- / der / Aufruhr in allen lebenden, allen toten Sprachen / zugleich, blutige Lava // und verdampfendes Licht – ich / wandert / allein um den Kratermund, unbefestigter Pfad / nach Sonnenaufgang, wir / verstünde sie nicht“. (M.B.)
Auszeichnungen u.a.: Peter-Huchel-Preis (1998), Ernst-Meister-Preis (2001), Erich-Fried-Preis (2004).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Mental heat control“, Gedichte, Rowohlt, Reinbek 1990
– „Die Schweizer Korrektur“, zus. mit Durs Grünbein u. Peter Waterhouse, Urs Engeler Editor, Basel 1995
– „Your passport is not guilty“, Gedichte, Rowohlt, Reinbek 1997
– „Reizstrom in Aspik. Wie Gedichte denken“, ein Poetik-Projekt zus. mit Urs Engeler, DuMont, Köln 2002
– „Argo Cargo. Wie Gedichte singen“, Essay, mit Audio-CD, Das Wunderhorn, Heidelberg 2003
– „Geisterströmung“, Gedichte, DuMont, Köln, August 2004

Sa, 28.8., 18.30 Uhr, Schlossgarten