Ulf Stolterfoht


   

„Experimentelle Lyrik“ galt lange – nicht ohne Mitschuld der Akteure – als verbiesterte Gattung, betrieben von Leuten, die sich in unerbittlicher Systematik auf sterile Sprach-Exerzitien kaprizieren. Der Lyriker Ulf Stolterfoht, der 1963 in Stuttgart geboren wurde und seit vielen Jahren in Berlin lebt, hat mit seiner ironischen Verskunst alle Stereotypen über das „Experimentelle“ widerlegt. Als artistischer Wortkomödiant, Zitat-Kompilator, Satz-Zerleger und subversiver Dekonstrukteur aller festgefügten Maxime, Reflexionen und Definitionen versteht es Stolterfoht wie kein zweiter Lyriker seiner Generation, unsere Sprachgewissheiten zu demontieren. Seine subtile ironische Satz-Kombinatorik thematisiert die „Fachsprachen“, denen wir uns in unserem Alltag so gerne anvertrauen. Stolterfoht löst das syntaktische und semantische Fundament dieser Alltags- und Fachsprachen von innen her auf, findet zu jeder Definition und Behauptung eine ins Groteske zielende Gegen-Definition, die sich mit Vorliebe selbst ad absurdum führt. Die Kombinationsakrobatik des Dichters mokiert sich über „das sogenannte Sägliche“, das uns alltäglich in Satz-Schablonen Eingehämmerte. Fortlaufend wird das in „Fachsprachen“ Organisierte montiert, entstellt, parodiert, es wird listig ins Leere gefragt und gekalauert – und doch wird im lautspielerischen Vers immer unsere Sprach-Gegenwart verhandelt. Durch die in Reimen organisierte Verschiebung und Umformung des Zitat-Materials entsteht eine große Komik, die freilich nicht mit Nonsens zu verwechseln ist. In dieser ironischen Verskunst wird alles, pathetische philosophische Rede wie Kinderlallen, alter Mythos wie neue Wissenschaft, Pathos wie Scherz, in seinen syntaktischen Grundfesten erschüttert. All diese hakenschlagenden Wendungen, so schrieb ein begeisterter Kritiker, kommen daher „wie eine Promenadenmischung aus Taugenichts, ‚Bildnis des Dichters als junger Mann’ und Kinderbuch“. Ulf Stolterfohts kühner Entwurf einer absoluten Poesie aus zitiertem Material markiert einen einsamen Höhepunkt der sprachschöpferischen Gegenwartslyrik. Auch die Literaturkritik beginnt das allmählich zu begreifen: 2001 erhielt der Autor den Christine-Lavant-Lyrikpreis. (M.B.)
Auszeichnungen u.a.: Arbeitsstipendium für Berliner Schriftsteller (1996), Autorenförderpreis der Stiftung Niedersachsen (2000), Förderpreis zum Hans-Erich-Nossack-Preis (2000).

  Veröffentlichungen (Auswahl):
– „fachsprachen I-IX“, Urs Engeler Editor, Basel, Weil am Rhein 1998
– „fachsprachen X-XVIII“, Urs Engeler Editor, Basel Weil am Rhein 2002
 

Termine:
– Sa, 30.8., 13.00 Uhr, Orangerie im Schlossgarten
– Sa, 30.8., 18.30 Uhr, Schlossgarten

home | programm