Farhad Showghi


   

„Ich trug eine grüne Walnußmaske, die in Wirklichkeit die Hand meines Vaters war“: Diese Verszeile des Dichters Farhad Showghi, die seinem lyrischen Debütband den Titel gab, lässt uns innehalten, nimmt uns sofort gefangen. Die Walnussschale entpuppt sich als die gewölbte Hand des Vaters: Ist das eine sinnliche Wahrnehmung, ein Traumbild, eine poetische Imagination? Es ist zuallererst ein poetisches Bild von großer Ausstrahlungskraft – ein Bild, wie es typisch ist für die eigentümlich zwischen Poesie und Prosa schwebenden Texte von Farhad Showghi. Der Traum und die Poesie sind nicht erst seit der Romantik verschwistert – und in Showghis Dichtung treffen wir immer wieder auf zauberhafte Konstellationen von innerem Traumbild und visueller Wahrnehmung. „Ich habe großen Respekt vor dem Wort wegen der ihm innewohnenden Unsicherheit“, hat der Dichter in einem aufschlussreichen Interview gesagt, und hinzugefügt: „Ich kann mich einem Wort nicht nähern, ohne es zunächst von jedem Sinnballast zu befreien.“ Diese Erfahrung der Unsicherheit des Sprechens hat sicherlich auch mit der nomadenhaften Biografie des Dichters zu tun, der zwischen den Sprachen beheimatet ist. 1961 in Prag geboren, hat Farhad Showghi von seinem 2. bis 5. Lebensjahr in Deutschland gelebt, bis er mit seinem Vater in den Iran übersiedelte. Dort besuchte er dann eine deutsche Schule, um seine Kindheitssprache nicht zu verlernen. Als 17-Jähriger nach Deutschland zurückgekehrt, widerfuhr Showghi ein zweites Mal die Begegnung mit der Fremdheit von Sprache. Später studierte er in Erlangen, mittlerweile lebt und arbeitet er seit einigen Jahren als Psychiater und Autor in Hamburg.
Die Urszene der Erfahrung von sprachlicher Nähe und Ferne hallt wider in dem Text „Die große Entfernung“, für den Farhad Showghi in diesem Jahr in Klagenfurt mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet wurde. In diesen Prosaminiaturen, die völlig zurecht in die Tradition des „poème en prose“ gestellt wurden, vollzieht sich in einer stets öffnenden, die Dinge in einen Schwebezustand versetzenden Sprachbewegung die Suche nach der verlorenen Landschaft Persiens und nach dem verlorenen Vater. Auch in Farhad Showghis zweitem Buch „Ende des Stadtplans“, das in diesen Tagen erscheint, erfahren wir seine Prosa-Gedichte als intensiv wort-träumende Texte, innige Wortmeditationen, die sich behutsam in eine seltsam in die Ferne gerückte Lebenswelt hineintasten. (M.B.)
Auszeichnungen u.a.: Kulturförderpreis für Literatur der Stadt Erlangen (1988), Kulturförderpreis für Literatur der Stadt Hamburg (1992), Kulturförderpreis für literarische Übersetzungen der Stadt Hamburg (1995), 3sat-Preis der Tage der deutschsprachigen Literatur Klagenfurt (2003).

  Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Sekunde ist eine bewohnbare Provinz“, Literatur-Büro, Erlangen 1987
– „Die Walnußmaske, durch die ich mich träumend aß“, Gedichte und Kurzprosa, Rospo-Verlag, Hamburg 1998
– „Heimaten“, zus. mit Anne Duden und Lutz Seiler, Wallstein, Göttingen 2001
– „Ende des Stadtplans“, Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein, September 2003
Übersetzung (aus dem Persischen):
– Ahmad Schamlu: „Blaues Lied“, Gedichte, Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein 2002
 

Termine:
– So, 31.8., 13.00 Uhr, Schlossgarten

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