Michael Kumpfmüller


   

Kaum ein belletristisches Werk hat die literarische Welt im neuen Jahrtausend so sehr in Aufregung versetzt wie Michael Kumpfmüllers spektakuläres Debüt „Hampels Fluchten“, das vor drei Jahren als exemplarischer Roman der deutschen Nachkriegsgeschichte gefeiert wurde. Die tragikomische Geschichte des Bettenverkäufers und Erotomanen Heinrich Hampel, der 1962, ein Jahr nach dem Mauerbau, vor einer verkorksten Ehe und einem gigantischen Schuldenberg in die DDR flieht, um dort den Neuanfang zu wagen, hat Kritik wie Publikum in Entzücken versetzt. Bis zur Veröffentlichung seines Debüts hatte der 1961 in München geborene Kumpfmüller vorwiegend literarische Reportagen über zeithistorische Stoffe publiziert. Mit seinem Helden Heinrich Hampel erfand er den idealen Protagonisten für einen deutsch-deutschen Schelmenroman. Heinrich Hampel – das war ein charmanter Untergeher, dessen erstaunliche Verführungsfähigkeiten ihn zu Größerem zu befähigen schienen, der aber mit seiner politischen Naivität und seinem beruflichen Ungeschick häufiger in DDR-Gefängnissen landete als auf der Erfolgsleiter des morbiden SED-Staates. „Die Botschaft“, so der Autor damals, „ist die Erzählung einer Epoche.“ Seinen halbfiktiven Helden hatte Kumpfmüller damals im eigenen „Familiendunstkreis“ ausfindig gemacht – ein biografischer Zufall mit außerordentlich produktiven Folgen für die Gegenwartsliteratur.
Auch in seinem neuen Buch, dem Roman „Durst“, greift Michael Kumpfmüller auf Motive eines authentischen Falls zurück. Mit schonungsloser Genauigkeit erzählt der Autor die Geschichte einer jungen Frau, die aus ihrem bedrückenden Alltag, in der sie als Alleinerziehende ständig überfordert ist, ausbrechen will und dafür das Leben ihrer Kinder opfert. An einem hochsommerlichen Tag verlässt die Frau ihre Wohnung, nachdem sie zuvor ihre beiden kleinen Söhne im Kinderzimmer eingeschlossen hat. Die Aufbruchsphantasie endet in der Katastrophe. Die ersehnte Freiheit bleibt der jungen Frau letztlich so undeutlich wie ihr ihre eigenen Lebenswünsche verborgen bleiben. Sie taumelt durch ein Gewirr von gewalttätigen Liebesbeziehungen, peinigenden Angstträumen und immer weiter verrohenden Intimitäten. „Durst“ ist eine Reise in die Abgründe der Seele – wo sich hier Einsamkeit, Ich-Schwäche und psychische Desorientierung unglücklich vermählen, entsteht die Bereitschaft zum Töten. (M.B.)
Michael Kumpfmüller studierte Geschichte und Germanistik in Tübingen, Wien und Berlin. Promotion 1994, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin, lebt heute als freier Autor in Berlin. Seit 1990 schreibt er Reportagen, Porträts und Kolumnen u.a. für Die Zeit, FAZ-Magazin, NZZ-folio, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Zürcher Tagesanzeiger.
Auszeichnungen u.a.: Walter-Serner-Preis für Krimigeschichten (1993), Journalistenpreis des Märkischen Presse- und Wirtschaftsclubs (1998), Stipendium des deutschen Literaturfonds (1998/99).

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Schlacht von Stalingrad. Metamorphosen eines deutschen Mythos“, Dissertation, Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 1995
– „Hampels Fluchten“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000
– „Durst“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln, August 2003

 

Termine:
– Sa, 30.8., 14.30 Uhr, Schlossgarten

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