Norbert Gstrein


   

Sohn eines Hoteliers, 1961 in Mils in Tirol geboren, studierte u.a. Mathematik in Stanford/USA und Erlangen und promovierte über das Thema „Zur Logik der Fragen“. 1988 machte der damals 27-Jährige mit einem fulminanten Debüt von sich reden. Seine schmale Erzählung „Einer“ wurde gleichermaßen für ihren Stoff, die Geschichte eines jugendlichen Außenseiters in einem Tiroler Bergdorf, wie für ihre Erzählweise gerühmt. Es wird konsequent aus der Perspektive der Mitmenschen erzählt, ohne Erklärungen und übergeordnete Instanz. Dieses Verfahren hat Norbert Gstrein in seinen folgenden Büchern, der Erzählung „Anderntags“, dem großen Roman „Das Register“, der Novelle „O2“ und dem Bericht „Der Kommerzialrat“ weiter verfeinert. Wir erfahren vom Schicksal eines Liebenden, zweier grundverschiedener Brüder, zweier Ballonfahrer auf Weltrekordflug, eines alpendörflichen Machtmenschen aus ganz verschiedenen Perspektiven. Gstrein liefert uns Beobachtungen, Darstellungsvarianten, Interpretationen Beteiligter und Verstrickter. Nur eines nicht: eine wahre Geschichte. Minutiös setzt Gstrein die Geschichten mit der Sprachform in Beziehung. Bis auf die Wort- und Satzebenen spinnt sich das feine Netz der Entsprechungen. Ein spannendes, aber in seiner Komplexität auch heikles erzählerisches Projekt, das ihn zu einem der interessantesten deutschsprachigen Erzähler macht.
Norbert Gstreins jüngster Roman „Das Handwerk des Tötens“ spielt im Sommer 1999: Der österreichische Journalist Christian Allmayer, der seit den ersten Schüssen über den Zerfall Jugoslawiens berichtet hat, kommt bei einem Hinterhalt im Kosovo ums Leben. Paul, ein verhinderter Schriftsteller und Verfasser von Reiseberichten, der ihn aus seiner Studienzeit kennt, nimmt dies zum Anlass, einen Roman über Leben und gewaltsamen Tod dieses Mannes zu schreiben. Dazu fährt er mit Freundin Helena und dem namenlosen Ich-Erzähler durch frühere Kampfgebiete in Kroatien und Bosnien. Paul geht dabei der Frage nach: „Wie ist es, jemanden umzubringen?“ Die Frage bleibt unbeantwortet.
Auszeichnungen u.a.: Literaturförderpreis der Freien Hansestadt Bremen (1989), Rauriser Literaturpreis (1989), Stadtschreiber in Graz (1989), Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1989), Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises (1994), Berliner Literaturpreis (1994), Alfred-Döblin-Preis (1999), Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2001, Uwe-Johnson-Preis 2003.

  Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Einer“, Erzählung, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1988
– „Anderntags“, Erzählung, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1989
– „Das Register“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1992
– „O2“, Novelle, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1993
– „Der Kommerzialrat“, Bericht, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1995
– „Die englischen Jahre“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1999
– „Selbstportrait mit einer Toten“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000
– „Was war und was ist“, Reden zur Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung, zus. mit Jorge Semprun, Sonderdruck edition Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2001
– „Das Handwerk des Tötens“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2003
 

Termine:
– Sa, 30.8., 15.00 Uhr, Schlossgarten

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