Drängt der deutsche Pop-Roman die hohe
Literatur ins Abseits?
Podiumsdiskussion
Die einen feiern den Einzug unserer kommerziellen Warenwelt in die Literatur
als Befreiung vom Kulturdünkel. Die anderen möchten, was ihnen
trivial erscheint, auch wieder so genannt wissen: trivial nämlich.
Können wir noch unterscheiden, was anspruchsvolle Literatur ist und
was publikumswirksame Erzählmasche? Bereichert die Welt der Labels
und Markennamen eine abstrakt gewordene Literatur um die entscheidenden
realistischen Anteile? Oder ist der Realismus der Einkaufs- und Modewelt
nur die billige Alternative zu Ästhetik und Reflektion? Will die
so genannte anspruchsvolle Literatur mit Hilfe alt gewordener
Avantgardisten nur ihre Pfründe sichern? Spiegelt andererseits die
alltagsnahe neue deutsche Erzählliteratur nur die Quotenfixierung
des Fernsehens im traditionellen Medium? Ist die alte Frage nach Transzendenz
an die Oberfläche unserer Gesellschaft verwiesen oder an den Mehrwert
der poetischen Sprache? Und schließlich: Müssen sich die beiden
kulturellen Sphären feindlich gegenüber stehen? Welchen Sinn
macht die Trennung der zwei Kulturen? Welches Versprechen
liegt umgekehrt in der Idee der Aufhebung der strikten Grenzen? Und: Wie
gewinne ich Maßstäbe für Qualität, wenn diese Trennung
zwischen E- und U-Literatur nicht mehr funktioniert?
Das sind einige der Fragen, die sich ergeben, wenn man das meistdiskutierte
Buch der letzten Jahre über deutsche Gegenwartsliteratur liest: Der
deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten des Rostocker Germanisten
Moritz Baßler. Und heftig wird das Nachdenken darüber, ja es
gerät gewissermaßen in akuten Entscheidungsdruck, wenn man
das in der Zeit veröffentlichte Plädoyer von Dorothea
Dieckmann über die Wiedereinführung des Begriffs Trivialliteratur
liest: Wenn Literatur zum Geschwätz verkommt, heißt
ihr Essay.
Mit den beiden Protagonisten solch unterschiedlicher Einstellungen, Moritz
Baßler und Dorothea Dieckmann, diskutieren: der Verleger des Kölner
Kiepenheuer & Witsch Verlages Helge Malchow, der für die meisten
der vielbeachteten Pop-Romane der letzten Jahre verantwortlich war. Der
Verleger des Hoffmann & Campe Verlags Rainer Moritz, der sich wiederholt
zur Thematik geäußert hat, und der gleichermaßen pop-nahe
wie anspruchsvolle Berliner Schriftsteller Norbert Kron.
Hubert Winkels
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