Vor der Wahl Das Theater der Politik.
Was ist los mit Deutschland?
Podiumsdiskussion
Die Politik inszeniert sich, die Denkenden sind entzweit bis ratlos, die
Wirtschaft sucht nach Wegen aus den Fallen der New Economy. Die Alternativen
scheinen ausgespielt. Nichts geht mehr.
Doch so, darüber sind sich nahezu alle einig, gehts auch nicht
mehr weiter. Wenn Macht zum Selbstzweck verkommt und Probleme und ihre
mögliche Bewältigung ausschließlich als Variablen von
Wählerstimmen gesehen werden, kann das auf die Dauer nicht verborgen
bleiben. Verunsicherung und Zukunftsängste machen sich breit. Der
Mut zur radikalen Reform bleibt aus. Befördert unsere Gesellschaft
mit ihrer Tendenz zur Event- und Spaßkultur eine Werteverschiebung
und schleichende Reaktion? Wo sind die Auswege? Wo sind die Reformer?
Wer ist noch glaubwürdig und kann sich mit Integrität, Kreativität
und vor allem Unabhängigkeit den Zumutungen des politischen und medialen
Alltags widersetzen und der Politik Paroli bieten?
Das wichtigste Thema in diesem Wahlkampf scheinen Flugmeilen, Kleiderrechnungen
und der Koffer eines Ministers zu sein. Der Boulevard der sensationellen
Schlagzeilen der Nichtigkeit ist überall: in der Presse und im TV.
Die Überschriften erscheinen umso fetter, je mehr sie mit der Moral
der Scheinheiligen angefüttert sind.
Worum geht es überhaupt am 22. September? Die Masse der Probleme,
vor allem der traditionell verschleppten, steht unter dem eisernen Diktat
der Sachzwänge und ist nicht parteipolitisch zu fassen. Eine Große
Koalition würde sich, außerhalb des Feldgeschreis, das gegenwärtig
Konjunktur hat, über das meiste mühelos und rasch einigen. Gibt
es überhaupt Alternativen? Und muss ein Wahlkampf so politikfern
geführt werden wie dieser, wo schließlich nicht die Programme,
sondern der gute Eindruck und das bessere Image gewinnen werden? Eine
Diskussion unter Publizisten, die nicht auf die Wolken der Versprechungen
schauen, vielmehr im Bodensatz der Gegensätze lesen und nicht von
dem Gedanken ablassen wollen, dass es um eine demokratische Wahl zwischen
Alternativen geht.
L.P./Wilfried F. Schoeller
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