Die Gewalt und die Literatur. Was ist darstellbar?
Wilfried F. Schoeller im Gespräch mit Kathrin Röggla
und Ulrich Peltzer
Als in New York die beiden Flugzeuge in die Twin Towers des World Trade
Centers donnerten und Tausende von Unbeteiligten dem terroristischen Anschlag
zum Opfer fielen, lebte die österreichische Schriftstellerin Kathrin
Röggla gerade in der Stadt. Sie eröffnete sofort ein Notizbuch
der fortlaufenden Eindrücke, die sich um den Film aus Angst und Hysterie,
Panik, Mut, Patriotismus, Opferbewusstsein und Heldentum, aber auch um
das verlautbarte Material an Artikeln und Bildern drehen.
Der in Berlin lebende Schriftsteller Ulrich Peltzer schrieb zur gleichen
Zeit an seinem New-York-Buch Bryant Park und wollte das literarische
Projekt nicht aufgeben, obwohl der Druck der Ereignisse auf der Fiktion
lastete. Er vollzog an einer bestimmten Stelle seines erzählerischen
Zusammenhangs einen Bruch, schob ein Memento ein und stoppte damit den
epischen Bewusstseinsfluss, um ihn danach wieder aufzunehmen.
Zwei konträre sprachliche Reaktionsweisen auf das gleiche Ereignis
und seine mediale Gegenwart von zwei miteinander befreundeten Autoren
stellen sich dar. Welche Beschreibungslust und Emotionslast entstand aus
der Katastrophe? Was davon lässt sich überhaupt darstellen?
Prallt der Blick an dem Kordon aus vermittelten Bildern, Beschreibungen
und Erklärungen ab? Was ist wirklich angesichts eines im amerikanischen
Katastrophenfilm längst inszenierten und präsenten Ereignisses?
Und wie sehr wurzelt das Ereignis mit seinen Elementen der Fragmentierung,
des Schocks, der unvorhergesehenen Wendung in der künstlerischen
Sprache der Moderne? Haben sich die Manifeste und Deklarationen der Avantgarde,
die seit den zwanziger Jahren auf solche Mittel setzte, mit der Überführung
in Realität damit erledigt?
Wilfried F. Schoeller
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