Die Bücherflut und der literarische Kanon


   

Wer sagt uns, was wir lesen sollen?

Podiumsdiskussion
Mit mehr als 83.000 neuen Büchern pro Jahr steckt der deutschsprachige Buchmarkt in einer Überproduktionskrise. Immer mehr Bücher bei immer kürzeren Lesezeiten der Konsumenten und bei rückläufigen Buchverkäufen zeitigen sichtbare Folgen: Marktbeschleunigung, Bestsellerwettkämpfe, Lizenzpoker, Verdrängungswettbewerb, Markthysterie. Welchen Stellenwert hat in solcher Lage die Literaturkritik? Zugleich steigt, je unübersichtlicher, ja undurchschaubarer der Buchmarkt wird, bei den Lesern das Bedürfnis nach Orientierung. Sie wollen wissen, was man lesen muss, was man gelesen haben muss. Und was ihre Kinder gelesen haben sollten, wenn sie Abitur machen. Gefragt ist ein Kanon der besten, der ewigen Bücher. Gefragt ist, nach PISA mehr denn je, eine Richtschnur im Labyrinth der Bücher.
Nach Jahrzehnten der Entkanonisierung scheinen wir auf eine Phase der Rekanonisierung zuzusteuern. Gefragt werden Lehrer, Medien, Kritiker. Die Germanistik fragt man vergebens, denn dieser ist der Glaube an einen verbindlichen Kanon maßstäblich gültiger Werke entweder längst abhanden gekommen, oder sie hat ihn nie besessen. Oder sie versucht, wie der Stuttgarter Germanist Heinz Schlaffer in seiner „Kurzen Geschichte der deutschen Literatur“, eine Art „Kanon light“ zu etablieren.
Dafür sind viele Medien mit Listen zur Hand oder mit angeblichen Autoritäten, die die kanonischen Werke vorschreiben und verkünden wollen. Zu bemerken ist ein neuer Trend von Kanon-Ratgeber-Büchern, Hitlisten, Register-Arien. Die Frage muss lauten: Gibt es einen solchen Kanon überhaupt? Kann es ihn geben? Soll es ihn geben? Wie lässt sich ein Kanon ermitteln?
Auf dem Podium sitzen Befürworter und Gegner des Kanons.
Sigrid Löffler

 

 

 

Termin:
Sonntag, 1. September 2002, 17.30, Markgrafentheater

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