35. Erlanger Poetenfest — 27. bis 30. August 2015
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Robert Schindel

Man muss sich den österreichischen Dichter Robert Schindel als eine Mischung aus modernem Troubadour, politischem Ketzer und Wiener Melancholiker vorstellen. Der „typische Schindel-Sound“, so urteilte ein Bewunderer seiner Gedichte, sei zusammen-gesetzt aus „Wiener Melange, jüdischer Litanei und deutscher Wortspielakrobatik“, einem spannungsreichen Dreiklang, dem man sofort verfällt, wenn man sich ihm einmal ausgesetzt hat. In seinem Gedichtband „Wundwurzel“ hatte er 2005 Heinrich Heines Lied von der Loreley mit finsterem Fatalismus verbunden: „Ein Lied aus alten Zeiten/ Zertrümmert mir den Mund/ Denn die engen Weitesweiten/ Fiedeln so moribund.“ Das „Lied aus alten Zeiten“ vergegenwärtigte aber keine märchenhaften Ereignisse mehr, sondern die Brutalität des Völkermordes an den europäischen Juden.
Als Sohn jüdischer Kommunisten kam der 1944 geborene Schindel als Kleinkind nach Wien, wo er in einem Kinderheim versteckt die Nazi-Zeit überlebte. In seinen monumentalen Geschichtsromanen „Gebürtig“ und „Der Kalte“ entwarf er ein großes Panorama der österreichischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus – im Blick vor allem die turbulenten Jahre der Präsidentschaft des politisch verstrickten Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Mit seinem Gedichtband „Scharlachnatter“ kehrt Robert Schindel nun in die „Herzzone“ seiner Sprachkunst zurück. Hier vermischen sich wieder Liebesgedichte mit Existenz-Gedichten, stürmischer Lebenshunger mit schwärzestem Endlichkeitsgefühl: „Ich trat herrlich hinaus auf meinen Balkon/ Er stürzte hinab und traf meinen Sohn/ Der lag auf dem Gehsteig und abgeschasselt/ Auch ich der zu ihm hinuntergerasselt// War nicht viel hübscher als mein Spross/ Man ähnelt sich im Totentross.“ (M. B.)

Auszeichnungen u. a.: Förderpreis des österreichischen Staatspreises für Literatur (1992), Erich-Fried-Preis (1993), Stadtschreiber von Klagenfurt (1995/96), Mörike-Preis (2000), Literaturpreis der Stadt Wien (2003), Jakob-Wassermann-Literaturpreis (2007), Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur (2009), Johann-Beer-Literaturpreis (2013), Heinrich-Mann-Preis (2014).

Veröffentlichungen (Auswahl):

– „Ohneland. Gedichte vom Holz der Paradeiserbäume. 1979–1984“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1986
– „Geier sind pünktliche Tiere“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1987
– „Im Herzen die Krätze“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1988
– „Gebürtig“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992
– „Ein Feuerchen im Hintennach. Gedichte 1986–1991“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992
– „Die Nacht der Harlekine“, Erzählungen, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1994
– „Gott schütz uns vor den guten Menschen. Jüdisches Gedächtnis – Auskunftsbüro der Angst“, Essays, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1995
– „Immernie. Gedichte vom Moos der Neunzigerhöhlen“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2000
– „Nervös der Meridian“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2003
– „Zwischen dir und mir wächst tief das Paradies. Liebesgedichte“, Insel, Frankfurt a. M. 2003
– „Mein liebster Feind. Essays, Reden, Miniaturen“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004
– „Fremd bei mir selbst. Die Gedichte“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004
– „Wundwurzel“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005
– „Mein mausklickendes Saeculum“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2008
– „Der Krieg der Wörter gegen die Kehlkopfschreie. Das frühe Prosawerk“, Haymon, Innsbruck 2008
– „Dunkelstein. Eine Realfarce“, Haymon, Innsbruck 2010
– „Man ist viel zu früh jung. Essays und Reden“, Jüdischer Verlag, Berlin 2011
– „Der Kalte“, Roman, Suhrkamp, Berlin 2013
– „Don Juan wird sechzig. Heiteres Drama“, Hollitzer, Wien 2015
– „Scharlachnatter“, Gedichte, Suhrkamp, Berlin, 8. August 2015


Do, 27.8., 20 Uhr, Markgrafentheater und Sa, 29.8., 15:30 Uhr, Schlossgarten

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Website:
www.schindel.at