35. Erlanger Poetenfest — 27. bis 30. August 2015
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Carolin Callies

„Die lyrische Poesie“, so schrieb einst Friedrich Hebbel, „soll das Menschenherz seiner schönsten, edelsten und erhebendsten Gefühle teilhaftig machen.“ Damit kann die Dichterin Carolin Callies (Jahrgang 1980) nicht dienen. In ihren Gedichten geht es nicht edel und erhebend zu, sondern eher schmutzig, schmerzhaft, schockierend, hier schaut jemand auf eine versehrte Körperlichkeit, auf den malträtierten Leib: „mir wurde, es war mal, räudig ums maul./ drum fehlt nun die anzahl an backen, um kauen zu können./ doch, ach, behalf ich mir mit fleisch,/ das hinten, das vorne & aller leib dazwischen war/ & muskelrelevant.“ Die Bilder von romantischer Liebe und von körperlicher Unversehrtheit werden lässig weggewischt; was bleibt sind Desillusionierungen.
Carolin Callies, die seit einigen Jahren als Verlagsmitarbeiterin und Literaturveranstalterin in Frankfurt am Main lebt, hat mit ihrem fulminanten Lyrik-Debüt „fünf sinne & nur ein besteckkasten“ eine sehr sinnliche, burleske Poesie entwickelt, die auch mit Obszönitäten kokettiert. Aber selbst die krudesten Beschreibungen somatischen Unheils trägt die Autorin in schwarzhumorigem Sarkasmus vor, sodass die Bilder beschädigter Leiblichkeit nicht als finsteres Endspiel, sondern als groteske Komödie daherkommen. Ihre Texte oszillieren zwischen harter Ernüchterungs-Poesie und frivoler Leichtigkeit und leisten sich die kalauernde Verabschiedung erotischer Illusionen: „die feuchten zwischen zähnen & kronen/ & du fragst: war das noch geschlechtsorgan/ oder doch schon trockenobst?“ Die alte Sprachordnung ist hier perdu. Hier singt eine Dichterin lästerliche Lieder „zwischen haut & welt“. (M. B.)

Veröffentlichung:

– „fünf sinne & nur ein besteckkasten“, Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2015

Do, 27.8., 20 Uhr, Markgrafentheater und So, 30.8., 15 Uhr, Schlossgarten

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