33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Helene Hegemann

Als 2010 das Debüt der damals 17jährigen Helene Hegemann „Axolotl Roadkill“ erschien und Plagiatsvorwürfe laut wurden, war sie das Skandalgirl der Saison. Sehr talentiert, sehr intelligent und sehr abgebrüht. Jetzt, in ihrem neuen Roman „Jage zwei Tiger“, werden als ironischer Link alle Quellen penibel aufgeführt. Um einen „Roadkill“ geht es auch in diesem Buch, das zwischen heute und 2016 handelt. Gelangweilte Jugendliche haben einen Stein von einer Autobahnbrücke geworfen. Binky war sofort tot, hinten überlebte der 12-jährige Kai, geistert in Schmerztrance durch die Gegend und strandet am Rand eines Zirkus. Dort trifft er auf das einarmige Zirkusmädchen Samantha und wacht im Krankenhaus wieder auf. Vergessen kann Kai Samantha nicht. An seinem Bett sitzt Detlev, sein ziemlich unbekannter Vater, die Irrfahrt einer Beziehung beginnt.
Helene Hegemann erzählt neben einer Geschichte von Vater und Sohn und Samantha die von Gloria, einer Luxusmutter und ihrer 17-jährigen Tochter Cecile. Sie erzählt von Wohlstandsverwahrlosung und von Ignoranz, von dem dekadenten, von moralischer Norm freien Leben reicher Eltern, von Kokain und Alkoholproblemen, von Zuständen auf der Kippe. Alles ist grell ausgeleuchtet – Musik, Filme, Bücher werden zitiert, „schweißtreibende Gewaltphantasien“ durchziehen den Sound einer Generation, die sich an nichts festhalten kann, außer am Geld der Eltern. Allerdings durchkreuzt von so altmodischen Sachen wie Verliebtsein und der Frage der Entjungferung. Das alte bürgerliche Leben mit seinen Regeln und Verboten wird als „Wohlfühlquatsch“ abgetan. Aber das neue freie Leben zeigt sich als riskanter Parcours. Während die Erwachsenen mehr oder weniger verloren in ihrem Setting festhängen und ihre Affären ablaufen wie am Fließband, zeigt Helene Hegemann in ihrem „Sittenbild“ auch die romantische, dahinter versteckte Sehnsucht der Jugendlichen nach scheinbar vergangenen Lebensformen. Ein gnadenloser Roman, der unserer gegenwärtigen Großstadtgesellschaft zwischen Vierzehn und Vierzig Wut und Zorn entgegenbringt und dies gnadenlos darstellt. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Max-Ophüls-Preis (2009), Stipendium Villa Aurora, Los Angeles (2011).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Axolotl Roadkill“, Roman, Ullstein, Berlin 2010
– „Jage zwei Tiger“, Roman, Hanser Berlin, August 2013
Theater (Auswahl):
– „Ariel 15“, UA Ballhaus Ost, Berlin 2007
– „Lyrics. Dieses Gedicht wurde vor ca. 20.000 Jahren geschrieben und ist immer noch aktuell“, UA FFT Düsseldorf, 2011

Sonntag, 1. September, 13:30 Uhr, Schlossgarten

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