33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Tzveta Sofronieva

„Zwischen den Sprachen“ zu sein, hat der Dichter und Übersetzer Michael Hamburger einmal gesagt, sei „keine Leistung, sondern eine Heimsuchung, einem Zustand der Schizophrenie nicht unähnlich.“ Die bulgarisch-deutsche Autorin Tzveta Sofronieva hat aus dieser schwierigen Bewegung des Nomadisierens zwischen den Sprachen poetische Funken geschlagen.
1963 in Sofia geboren, war und ist die polyglotte Poetin in vielen Welten zu Hause. Die diplomierte Physikerin promovierte 1991 in Philosophie, danach nahm sie an der Poetry Master Class des Literaturnobelpreisträgers Joseph Brodsky teil. Heute lebt sie in Berlin als freie Autorin und schreibt auf Deutsch, Bulgarisch und Englisch.
Ihre Sprachempfindlichkeit wurde geschärft, als ihr in den 1990er-Jahren bei der Übersetzung eines ihrer Gedichte mit dem bulgarischen Titel „Heimat“ erklärt wurde, dass das Gedicht in der deutschen Version keinesfalls „Heimat“ heißen dürfe. Daraus entstand unter ihren Dichterkollegen eine Debatte über die Differenzen zwischen den Sprachen und über „verbotene Worte“: „Wir haben gespürt, wie fließend die Grenze zwischen Nicht-Verstehen-Können und Nicht-Verstehen-Wollen, zwischen Unsicherheit und Arroganz sein kann. Wir wollten keine Worte ‚heilen’ oder ‚frei lassen’, sondern unterhielten uns über das Wort als kulturelle Kluft und über die (Un)Möglichkeit, Brücken zu bauen – über die gemeinsame Entmythologisierung der Geschichte, wenn Vergangenheit zu Geschichten, zu Literatur wird.“
So begründete Tvzeta Sofronieva ein großes internationales Netzwerk mit Publikationen, Symposien und Lesungen über das Gedächtnis der Worte in der Mehrsprachigkeit. 2010 versammelte sie in der von ihr herausgegebenen polylingualen Anthologie „11 9 Web Streaming Poetry“ Dichterstimmen in 43 Sprachen.
In ihrem neuen Gedichtband „Landschaften, Ufer“ zeigt sie ihr polylinguales Universum, in dem alles immerfort in Bewegung ist. Grenzen interessieren Sofronieva nur als durchlässige, poröse: „Ich suche das Wort in den Rundungen / von Schultern und Hügeln, / von Bächen und Brücken. / Ich folge den Wolken der Vokale, / die von den Lippen von Freunden / und Fremden zu mir kommen. / Ich suche die Sprache, in der / ich ein Wort bin.“ (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Preis der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften für Poesie (1988), Walther-Rathenau-Fellow, Berlin (1991), Stipendium des St. John’s College, Cambridge (1992), Stipendium Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (1996), Stipendium Villa Aurora, Los Angeles (2005), Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (2009), Writer in Residence am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (2010), Cliff Becker Prize in Translation (2012).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Chicago Blues“, Gedichte, Bulgarisch/Englisch, SPO, Sofia 1992
– „Gefangen im Licht“, Gedichte, Bulgarisch/Deutsch, Biblion, Marburg/Lahn 1999
– „Verbotene Worte. Gedichte, Erzählungen, Essays“, Hrsg., Biblion, München 2005
– „Eine Hand voll Wasser“, Gedichte, Un Art Ig Verlag, Aschersleben 2008
– „11 9 Web Streaming Poetry“, Gedichte, mehrsprachig, Hrsg., Hans Schiler, Berlin/Tübingen 2010
– „VIA DUKTE“, Lyrikkünstlerbuch, ICHverlag Häfner+Häfner, Nürnberg 2010
– „Landschaften, Ufer“, Gedichte, Hanser, München, August 2013

Sonntag, 1. September, 17:30 Uhr, Schlossgarten

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