33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Norbert Gstrein

Ist das Lesen wesentlicher Bestandteil eines gelungenen Lebens? Oder macht exzessive Lektüre lebensunfähig? Das sind durchaus brennende Fragen für das leselustige Publikum des Erlanger Poetenfests. Gestellt werden sie unter anderem in dem neuen Roman „Eine Ahnung vom Anfang“ von Norbert Gstrein. Der 1961 in Tirol geborene Autor, der in Innsbruck, Palo Alto und Erlangen Mathematik und Philosophie studierte und seit 1988 ein in jeder Hinsicht konsequentes und kompromissloses Werk mit einem ganz eigenen Gstrein-Sound schreibt, gibt sogar Antworten darauf, was er sonst eher selten tut. Der erzählende Lehrer in diesem Roman versorgt seinen Bruder und seinen Lieblingsschüler mit existenziellem Lesestoff, doch beide Biografien scheitern. Der eine begeht Selbstmord, der andere wird vermutlich bombenlegender katholischer Fundamentalist. Trotzdem ist Gstreins persönliche Antwort ein eindeutiges Bekenntnis zum Lesen. „Literatur bietet die einzigartige Gelegenheit, sich lesend und schreibend neu erfinden zu können, anderer Leute Leben auszuprobieren“, sagte er kürzlich in einem Interview. Darin zeigte er sich bis heute dankbar, niemals Germanistik studiert zu haben, weil er nur so ein „wildwüchsiger“ Leser sein konnte. In „Eine Ahnung vom Anfang“ glaubt der Tiroler Lehrer seinen ehemaligen Lieblingsschüler auf einem Fahndungsplakat erkannt zu haben. Ob und wie ein intelligenter Jugendlicher, angestiftet durch Lektüre und falsche Vorbilder, zum Terroristen werden kann, davon handelt dieses Buch. Der Hanser Verlag wollte folgenden Werbetext auf den Buchrücken drucken: „,Eine Ahnung vom Anfang‘ ist ein Buch, das Hermann Hesse und Peter Handke gern geschrieben hätten – es aber nie getan haben.“ Norbert Gstrein war dagegen. Schade – irgendwie hätte es gepasst. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Rauriser Literaturpreis, Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb (1989), Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises, Berliner Literaturpreis (1994), Alfred-Döblin-Preis (1999), Kunstpreis des Landes Tirol (2000), Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (2001), Uwe-Johnson-Preis (2003), Stipendium der Stiftung Bartels Fondation Basel (2012).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Einer“, Erzählung, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1988
– „Anderntags“, Erzählung, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1989
– „Das Register“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992
– „O2“, Novelle, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1993
– „Der Kommerzialrat. Bericht“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1995
– „Die englischen Jahre“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1999
– „Selbstportrait mit einer Toten“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2000
– „Das Handwerk des Tötens“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2003
– „Wem gehört eine Geschichte? Fakten, Fiktionen und ein Beweismittel gegen alle Wahrscheinlichkeit des wirklichen Lebens”, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004
– „Die Winter im Süden“, Roman, Hanser, München 2008
– „Die ganze Wahrheit“, Roman, Hanser, München 2010
– „Eine Ahnung vom Anfang“, Roman, Hanser, München 2013

Samstag, 31. August, 14 Uhr, Orangerie und Sonntag, 1.September, 17 Uhr, Schlossgarten

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