33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Autorenporträt: Peter Bieri alias Pascal Mercier
Freiheit und Menschenwürde – Was ist das?
Lesung und Gespräch mit Verena Auffermann

„Wenn es so ist, daß wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?“ Dieses Zitat steht in Pascal Merciers Weltbestseller „Nachtzug nach Lissabon“ (2004) und führt ins Zentrum der Fragen, die sich der Schriftsteller Pascal Mercier stellt, der im wirklichen Leben mit dem Philosophen Peter Bieri identisch ist. Der Roman über einen kurzsichtigen, geschiedenen, passionierten Gymnasiallehrer, den die Begegnung mit einer lebensmüden Portugiesin vollständig aus der Bahn wirft, steckt voller Zitate und welterklärender Weisheiten. Das haben viele überlesen. Doch wussten einige, dass sich hinter dem Namen Pascal Mercier Peter Bieri, der 1944 in Bern geborene Philosoph verbirgt, Schüler des Gymnasiums Kirchenfeld, in dem Raimund Gregorius, Romanheld im „Nachtzug nach Lissabon“, seit Jahrzehnten seinen treuen Dienst tut. Vielleicht wussten einige, dass im „Nachtzug nach Lissabon“ ein begnadeter Romancier gemeinsame Sache mit einem analytischen Philosophen gemacht hat, ein Philosoph, der über die Erkenntniswege des Gehirns ebenso geforscht hat, wie über moralphilosophische Fragen, dessen erfolgreichstes Fachbuch sich mit dem „Handwerk der Freiheit“ auseinandersetzt und der neben vielen philosophischen Fachbüchern vier Romane veröffentlicht hat. Ende August erscheint ein Buch, das ihn zu einem seiner Lebensthemen zurückbringt. Bieri setzt sich in „Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde“ mit einem Begriff auseinander, der in unserer Zeit etwas aus der sprachlichen Mode geraten ist. Bieri – was für ein seltenes Glück – hat es gelernt, das Komplizierte einfach auszudrücken. Er kommt ohne eine einzige Fußnote aus, um seine Gedanken und Thesen zum Thema der Würde als eine vielschichtige, für die menschliche Existenz zentrale Erfahrung darzustellen. Für ihn ist die Würde eine „Lebensform“. Er macht uns klar, dass diese Lebensform keineswegs von gestern ist, sondern unser Leben als Subjekt ohne sie ins Wanken geraten würde. Besonders pocht er bei seinen Erläuterungen auf die Selbstständigkeit und die Gleichberechtigung. Auch Humor – oder Selbstironie – sind hilfreich. Aber das Wichtigste, worauf es „wirklich ankommt“, ist für Bieri die innere Selbstständigkeit. Dazu müssen wir verstehen, dass es in „unserem Leben viel mehr Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Phantasien und Wünsche gibt, als es den Anschein hat.“ Hier trifft der Philosoph den Schriftsteller, und hier treffen wir einen Menschen, der herrlich belesen ist und aus dem, was er gelesen hat, eigene gedankliche Schlüsse gezogen hat. Die verarbeitete Lektüre reicht von Nabokov zu Arthur Miller, von Heinrich Mann zu Kafka. Bieri ist ein Leser, der sich die Welt auch aus der „schönen“ Literatur erklärt und nicht nur aus den Schriften großer Philosophen. Und wo setzt er an? Bei den kleinen Worten „was“ und „warum“. Darum geht es: „Zu wissen, ‚was’ der Fall ist, und zu verstehen, ‚warum’ es der Fall ist.“
Peter Bieri, der Philosoph, Autor und Leser, der Analytiker und Erklärer, beendete seine Universitätslaufbahn vorzeitig, weil ihm die neue Cluster-Evaluations-Exzellenz-Uni zuwider war. Er nutzt seine Zeit, um Bücher, wie das über die „Würde“ des Menschen zu schreiben, ganz frei von jedem akademischen Zwang und zu unserem Erkenntnisglück.
Verena Auffermann

aktuell: Peter Bieri: Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde. Hanser. München, 26. Aug 2013

Samstag, 31. August, 19:30 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

« zurück