33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Autorenporträt: Michael Krüger
Winde blättern in Büchern
Lesung und Gespräch mit Maike Albath

Dieser Mann ist ein Tausendsassa. Seine vielfältigen Fähigkeiten und Aktivitäten lassen sich nicht mit einem Wort umschreiben, auch übt er keinen gewöhnlichen Beruf aus, sondern gleich ein ganzes Berufsfeld. Michael Krüger ist gleichermaßen Lyriker, Romancier, Essayist, Verleger, unermüdlicher Entdecker unbekannter Autoren, Herausgeber der Zeitschrift „Akzente“, nebenbei auch Übersetzer und insgesamt ein Literatursüchtiger. Er wurde 1943 in Wittgendorf/Kreis Zeitz geboren, machte Abitur in Berlin, absolvierte anschließend eine Verlagsbuchhändler- und Buchdruckerlehre und hörte nebenbei Philosophievorlesungen an der Freien Universität, bis er nach London ging, wo er als Buchhändler arbeitete. 1968 trat er als Lektor in den Carl Hanser Verlag ein, den er seit 1986 leitet. Ende diesen Jahres wird er die Verantwortung in neue Hände übergeben. Seine Programmgestaltung schrieb Literaturgeschichte: Von Derek Walcott bis zu Wisława Szymborska, von Elias Canetti über Joseph Brodsky, Cezław Miłosz bis zu Herta Müller erhielten etliche seiner Autoren den Nobelpreis. Obwohl die letzten Jahrzehnte hauptsächlich „den Büchern der anderen“ gehörten, wie der italienische Lektor, Schriftsteller und Hanser-Autor Italo Calvino die Verlagsarbeit einmal umschrieb, fand Krüger immer wieder Zeit für eigene Bücher. Er legte Novellen, Erzählungen und Gedichtbände vor, Romane wie „Himmelfarb“ (1993) oder „Die Turiner Komödie“ (2005) und verfasste zwischendurch Genrestudien und Satiren über die Eigenarten des Literaturbetriebs. Was passiert auf Vertretersitzungen? Was auf der Buchmesse? In diesen mit absichtsloser Eleganz verfassten Gelegenheitstexten stellt Michael Krüger sein komisches Talent unter Beweis und legt eine humorvolle Verzweiflungstaktik an den Tag, mit der er den Zwängen des Alltags entgegentritt und sie für Augenblicke außer Kraft setzt.
Wieder anders ist der Tonfall in den neuen Gedichten, die rechtzeitig zu seinem siebzigsten Geburtstag erscheinen. „Umstellung der Zeit“ lautet der Titel des Bandes: hundert Versuche, der Welt auf die Schliche zu kommen. Das geschieht über den Umweg der Natur. Es wimmelt von Apfelbäumen, Linden, Bergahorn, Kiefern, Kammgräsern oder Bärenklau. Viele Tiere bevölkern die Texte: Krähen, Schwalben, Möwen und immer wieder Eichhörnchen. Oft hat die Natur noch einen letzten Scherz auf Lager, bieten Wind und Meer einen Schutzraum. Winde blättern in Büchern, Bäume bergen andere Zeitschichten, die weit über das menschliche Leben hinausweisen, und Lupinen, Schafgarben oder Saubohnen holen die Kindheit zurück. Neben Reisepostkarten gibt es Porträts von Wegbegleitern: Harry Mulisch, Hans Bender, Peter Handke, Antonio Tabucchi oder Cezław Miłosz kommen vor. Der lakonisch-lapidare Gestus ist oft ein Ablenkungsmanöver; dahinter blitzt Schönheit auf, die in melancholischen Pointen zum Ausdruck kommt. Auch wenn sie manchmal nicht ausreicht, kann die Sprache verblüffend viel: Sie besitzt fünfzig Wörter für Licht und nimmt der Vergänglichkeit die Spitze. „Eine tote Amsel / vor meinem Fenster. / Ich warte eine Stunde / auf die Umstellung / der Zeit“.
Maike Albath

aktuell: Michael Krüger: Umstellung der Zeit. Gedichte. Suhrkamp. Berlin, 19. Aug 2013

Freitag, 30. August, 19:00 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

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