Autorenporträt: Volker Braun
Die Bleibe, die ich suche Lesung und Gespräch mit Wilfried F. Schoeller
Der Lyriker, Dramatiker und Erzähler Volker Braun, 1939 in Dresden geboren, 2000 mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, schrieb in der DDR jahrzehntelang unter einer Wolke aus Argwohn und organisierter Beobachtung seine kritischen Texte. Er hatte die subversive Eigenheit, den Sozialismus ernst zu nehmen und seine Versprechen an der Wirklichkeit zu reiben. Auf diese Weise entstanden ziemlich unliebsame Zündfunken eines linken Kritikers, der sich nicht mit den Wonnen der gewöhnlichen Rede, den Vereinbarungen auf den Alltag und den Parolen von Funktionären abfinden wollte. Vieles von seinem Werk blieb eine „Unvollendete Geschichte“, wie eines seiner Bücher überschrieben ist: in der DDR entweder verboten, nicht aufgeführt, unbesprochen, ins Schweigen verbannt oder nur verspätet zugelassen. In der Wende hoffte Volker Braun wie viele andere auf einen „dritten Weg“: auf einen eigenständigen Staat, der sich aus den Zerrbildern des Kalten Kriegs, aus der pauschalen Systembindung, aus der falschen Alternative – gescheiterter Sozialismus oder menschenfeindlicher Kapitalismus – lösen könnte. Seine Hoffnung hat sich bekanntlich nicht erfüllt: Die DDR wurde „Beitrittsgebiet“, ihr Volksvermögen in der kleinen Münze der Treuhand verscherbelt. Volker Braun hat über seine letzten Jahre in der zerfallenden DDR bis zur Wende seine Aufzeichnungen veröffentlicht: „Werktage 1977–1989“ ist ein monumentales Arbeitsbuch seiner Projekte, ein Rechenschaftsbericht des Zweifels, ein Dokument der Listen und Manöver, seine Produktionen an die in Ost und West geteilte Öffentlichkeit zu bringen, ein Bewusstseinsroman der rabiaten Veränderungen. Es endet mit einem Eintrag vom 31. Dezember 1989: „nun haben wir eine biographie, aus dem widerstand und der geducktheit tretend, haben wir jeder eine geschichte durchlaufen, unter die ein harter strich gezogen wird. unter die alten wahrheiten, unter die alte zukunft.“ |
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