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Der Geist von Turin
Lesung und Gespräch mit Maike Albath, Moderation: Ursula März

Sie waren elitär und in Opposition zur politischen Macht, sie waren intellektuell, musisch und vielfach befreundet, sie waren geschäftstüchtig und sie waren Turiner: die „Einaudianer“. Diesen Begriff verwendet die Berliner Literaturkritikerin und stupende Italien-Kennerin Maike Albath für eine Gruppe junger Schriftsteller, die in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts einen Verlag schufen, dessen literarische und kulturgeschichtliche Bedeutung nahezu einzigartig ist. Der Turiner Einaudi Verlag war nichts weniger als die Basisstation der geistigen und demokratischen Erneuerung Italiens nach 1943. Maike Albath erzählt mit detaillierter Sachkenntnis und episodischer Anschaulichkeit die Geschichte dieses italienischen Verlages, die nicht zu trennen ist von den Lebensgeschichten berühmter Einaudianer: Cesare Pavese, der sich 1950 das Leben nahm, Leone Ginzburg, der 1944 von deutschen Faschisten ermordet wurde, seine Witwe und eine bedeutende Verlagslektorin Natalia Ginzburg, der Rechtsphilosoph Noberto Bobbio, der später dazu kommende Italo Calvino und natürlich der eigenwillige Verlagsleiter Luigi Einaudi selbst. Sie alle trugen bei zum „Geist von Turin“, schufen ein Modell literarischer und intellektueller Energie, das in der Rückschau wirkt wie eine gelebte Utopie. Maike Albaths Buch ist ein erzählerischer Essay und ein klassisches Beispiel dieser Gattung, denn es gelingt ihr, die Geschichte des Verlages Einaudi in einen umfassenden Kontext einzuspannen, italienische Zeitgeschichte verständlich, Milieus der italienischen, zumal der piemontesischen Gesellschaft und der antifaschistischen Widerstandsbewegung sichtbar zu machen. Zugleich ist ihr Buch selbst ein oppositionelles Projekt: Die Erinnerung an eine Hochzeit europäischer Kultur stellt sich dem herrschenden Berlusconismus demonstrativ in den Weg. Das „Reservoir“ der Einaudianer, schreibt Maike Albath in ihrer Nachbemerkung, ist noch nicht verloren. Es ließe sich darauf zurückgreifen.
Ursula März

Maike Albath: Der Geist von Turin. Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens nach 1943. Berenberg. Berlin, Mrz 2010

Samstag, 28. August, 18:30 Uhr, Schloss, Senatssaal (1. OG)
Eintritt frei!

 

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