Druckansicht

Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur
Lesung und Gespräch mit Verena Auffermann und Ursula März, Moderation: Dirk Kruse

Was haben Sappho und Susan Sontag, Agatha Christie und Inger Christensen, Else Lasker-Schüler und Astrid Lindgren, Margaret Mitchell und Herta Müller gemeinsam? So unterschiedlich ihre Herkunft, ihr Stand, ihre Zeit und ihr Erfolg auch sein mögen, sie alle sind Frauen, die eine Leidenschaft vereint: die des Schreibens. Und sie sind so faszinierend, dass die vier Kritikerinnen Verena Auffermann, Ursula März, Gunhild Kübler und Elke Schmitter ihnen eines ihrer 99 Porträts von Autorinnen der Weltliteratur gewidmet haben. Ein sehr weitherziger Begriff von Weltliteratur ist der, bei dem „Mein blaues Klavier“ neben „Michel aus Lönneberga“ und „Atemschaukel“ neben „Vom Winde verweht“ bestehen darf. Aber es geht den vier Kritikerinnen weniger darum, ein kanonisches Werk zu verfassen – „Eine fehlt immer“, heißt es im Vorwort, weshalb die exemplarisch unfertige Anzahl von 99 Porträts gewählt wurde –, sondern um die Bedingungen weiblichen Schreibens. Die waren Jahrhunderte lang extrem schlecht, wenn die Autorinnen nicht gerade wie Bettina von Arnim einen verständnisvollen Mann hatten, oder wie Hildegard von Bingen die Schutzmauern eines Klosters. Fast allen Schriftstellerinnen fehlte es an Zeit, Geld und Raum, in dem man hätte schreiben können. Virginia Woolf, der natürlich auch ein Porträt in diesem Buch gewidmet ist, beschreibt das in ihrem berühmten Essay „Ein eigenes Zimmer“ von 1928 anhand der Frage, ob Shakespeares Schwester, wenn er denn eine hatte, auch eine Schriftstellerin geworden wäre: „Sie war, nehmen wir einmal an, ebenso abenteuerlustig, ebenso fantasievoll, ebenso begierig, die Welt zu sehen, wie er. Aber sie wurde nicht in die Schule geschickt. Sie hatte keine Gelegenheit, Grammatik und Logik zu lernen, von Horaz und Vergil ganz zu schweigen. Sie nahm hin und wieder ein Buch zur Hand, eines ihres Bruders vielleicht, und las ein paar Seiten. Aber dann kamen ihre Eltern herein und hießen sie die Strümpfe stopfen oder sich um den Hammelbraten kümmern und nicht mit Büchern und Papieren ziellos herumzutrödeln.“ Selbst Joanne K. Rowling, die jüngste der porträtierten Autorinnen in diesem Buch, erfand ihren Harry Potter noch als Sozialhilfeempfängerin in einer Teestube. Das Lesenswerte an den 99 plastisch geschriebenen Lebens- und Werkbildern ist aber gerade, dass die Kritikerinnen nicht feministisch argumentieren, sondern Lust darauf machen, faszinierende Autorinnen neu- und wiederzulesen. Ein Buch von und über Frauen, aber nicht nur für Frauen, was auch der Kritiker Michael Maar in der „Weltwoche“ feststellte: „Öffnen Sie dieses Buch nicht unvorsichtig. Lassen Sie es vor allem geschlossen, wenn Sie im Lauf des Tages noch einen wichtigen Termin haben. Es wird Ihnen gehen wie mit einer Tüte Erdnüsschen: Sie werden von einem Artikel zum nächsten greifen, und am Schluss ist das Buch leergelesen, und Sie haben nicht gemerkt, wie die Zeit verstrich.“
Dirk Kruse

V. Auffermann, G. Kübler, U. März, E. Schmitter: Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur. Essays. C. Bertelsmann. München, Sep 2009

Sonntag, 29. August, 17:00 Uhr, Schloss, Senatssaal (1. OG)
Eintritt frei!

 

Druckansicht