Autorenporträt: Hans Joachim Schädlich
In weiter Ferne so klar Lesung und Gespräch mit Maike Albath
1935 in Reichenbach geboren, lagert sich in Hans Joachim Schädlichs Lebensweg die deutsch-deutsche Geschichte ab: Nach dem Studium der Germanistik arbeitete der Schriftsteller als Linguist an der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften, untersuchte die Eigenarten des Ostvogtländischen und verfasste erste Prosastücke, die er vergeblich bei Zeitschriften einreichte. Er schreibe gut, lautete die Begründung für die Ablehnung, sei aber zu dunkel und verneinend – man empfahl ihm einen „neuen Ansatz“. Als er 1976 gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestierte, verlor er seinen Posten; im Jahr darauf kam im Rowohlt Verlag sein Debüt „Versuchte Nähe“ heraus und erregte großes Aufsehen. Mit sprachlicher Strenge und einer parabelhaften Konzentration entwarf Schädlich Bilder der ostdeutschen Seelenlage, wie man sie so noch nicht gelesen hatte. Noch im Winter desselben Jahres verließ er die DDR. Seit seinem Prosaband von 1977 betreibt Hans Joachim Schädlich eine unbeirrbare Bestandsaufnahme, manchmal sprachspielerisch verfremdend, manchmal nüchtern und sachlich. Historische Verwerfungen geraten ebenso in den Blick wie die typisch deutschen Eigenarten eines obrigkeitstreuen Polizeispitzels in „Tallhover“ (1986) oder die bundesrepublikanische Karriere des Nazi-Germanisten Schwerte in „Anders“ (2003), der am Ende selbst an seine gefälschte Biografie glaubt. Den Schattierungen des Verrats, der Loyalitäten und Rechtfertigungen erzwingt, Schuldgefühle erzeugt und gleichzeitig die Illusion von Omnipotenz vermittelt, geht der Autor auch in „Schott“ (1992) nach. Kurze Zeit später machte Hans Joachim Schädlich bei der Einsicht seiner Stasi-Akte eine erschütternde Entdeckung: Sein Bruder hatte ihn über Jahrzehnte bespitzelt. Diese Erfahrung steht im Mittelpunkt der Kurzprosa „Die Sache mit B.“ (1992), bis heute sein meistübersetzter Text. |
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