Sein Vater stammt aus dem schwäbischen Ichenhausen, geboren ist Rafael Seligmann in Tel Aviv. Schon als Kind kam er jedoch nach München, da ökonomische Misserfolge – und Heimweh! – den Vater gegen heftige familiäre Widerstände nach Deutschland zurückkehren ließen. Eine turbulente Biografie an der Grenzlinie zwischen deutscher und jüdischer Identität nimmt ihren Lauf. Aus dem Lehrling der Radio- und Fernsehtechnik wird über den zweiten Bildungsweg zunächst ein gefragter Politologe, Nahost-Sicherheitsforscher, dann ein Journalist und schließlich der erste deutsch-jüdische Romancier, der einen unverstellten Blick aufs Leben der deutschen Juden nach 1945 wirft: unterhaltsam, bissig, ohne Rücksicht auf Tabus und Empfindlichkeiten. Wie in seinen Romanen auch schildert der Autor in der Autobiografie die übermächtige jüdische „Mamme“, berichtet von unklammernden Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen, von schwierigen deutschen Philosemiten auf der einen und „Musterjuden“ auf der anderen Seite. Der mehrfache Vater ist kein Kind von Traurigkeit und lässt den Leser nicht nur an seinem intellektuellen, sondern auch am sinnlichen Reifeprozess teilhaben. Schließlich kommt die Zeitgeschichte von 1960 bis 2010 nicht zu kurz und der Leser erfährt aus der Feder des jüdischen Autors differenziertere Bewertungen als sonst üblich. Ein Muss für alle, die sich fragen, wie man den Umgang zwischen nichtjüdischen und jüdischen Deutschen vor Missverständnissen bewahrt.
Florian Felix Weyh

Rafael Seligmann: Deutschland wird dir gefallen. Autobiografie. Aufbau. Berlin, Oktober 2010

Samstag, 28. August, 15:30 Uhr, Schloss, Senatssaal (1. OG)
Eintritt frei!