Zsuzsa Bánk

Manchmal wird eine Stimmung zum Auslöser für eine Geschichte. Bei ihren Ferienaufenthalten in der ungarischen Heimat ihrer Eltern sog die 1965 in Frankfurt geborene Zsuzsa Bánk immer wieder eine eigentümliche Mischung aus Apathie, Fernweh und Traurigkeit auf. Aus dieser Erfahrung, ergänzt durch Anekdoten aus der weitverzweigten Verwandtschaft, speiste sich Bánks erster Roman. Ihr Debüt „Der Schwimmer“ (2002) erzählt von einer zurückgelassenen Familie, deren Mutter 1956 ohne irgendeine Erklärung gen Westen aufbricht. Außer sich vor Kummer verkauft ihr Ehemann den Hof und tritt mit den Kindern eine Odyssee quer durch das Land an. Auch in ihrem neuen Erzählungsband erweist sich Zsuzsa Bánk als eine Expertin für Abschiede. Zwölf Mal geht es in „Heißester Sommer“ um Trennungsschmerz, Verlustangst, Trauer, berauschende Freiheitswünsche und Bindungssehnsüchte. Da gibt es zum Beispiel die Kongressteilnehmerin Anna, die nach vielen Jahren alte Freunde wiedertrifft. In einem Kosenamen verdichtet sich eine lange verloren gegangene Vertrautheit, die sich aber bald darauf in eine Erfahrung der Vergänglichkeit wandelt. In der Titelgeschichte geht es um die Amerikanerin Lisa, die zum ersten Mal das Haus ihrer italienischen Großmutter sieht und plötzlich einen Schmerz verspürt, den ihre Mutter nie zuließ. Wie Vokabeln einer Fremdsprache werden die unterschiedlichen Ausprägungen des Abschiednehmens durchdekliniert. Handlungsorte sind nicht nur gesichtslose deutsche Großstädte, sondern auch Washington, die nordamerikanische Provinz, Asien, Italien, London und die australische Küste. Bánks Heldinnen sind alle auf dem Sprung, unterwegs zu etwas anderem. Aber Zsuzsa Bánk hütet sich davor, das Geheimnis ihrer Akteurinnen zu lüften – sie arbeitet mit Leerstellen, umreißt die Handlung nur in groben Linien, verzichtet auf Deutungen und dringt über die äußeren Umstände in das Innere ihrer Figuren vor. Eine leergefegte sonntägliche Straße, ein Schlüsselanhänger oder eine dämmerige Schneelandschaft sind Ausdruck dessen, was sie fühlen. Zsuzsa Bánk, die als Buchhändlerin arbeitete, in Mainz und Washington Publizistik, Politik und Literatur studierte und jetzt als freie Autorin in Frankfurt lebt, entwirft mit ihren Erzählungen ein kleines Alphabet der Gefühle. (M.A.)
Auszeichnungen u. a.: Open Mike-Literaturpreis der Literaturwerkstatt Pankow, Berlin (2000), Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung, Aspekte-Literatur-Preis (2002), Mara-Cassens-Preis, Deutscher Bücherpreis/Debüt, Bettina-von-Arnim-Preis (2003), Adalbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung (2004).

Veröffentlichungen (Auswahl): – „Der Schwimmer“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2002, Taschenbuch ebd. 2004 und 2005 – „Heißester Sommer“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M., August 2005


Samstag, 27. August, 16 Uhr, Schlossgarten