Bert Papenfuß

Die Kunst der politischen Abweichung ist unter unseren Intellektuellen nahezu ausgestorben. Die umsturzbereiten Revolutionäre, die sich bis in die frühen achtziger Jahre hinein im Kulturbetrieb tummelten, sind aus dem politischen Nahbereich verschwunden. Ein Dichter aus dem ehemaligen DDR-Untergrund hält jedoch bis heute an der Aktualität eines sozialrevolutionären Anarchismus fest: Es ist der Lyriker, Zeitschriftenherausgeber und Kneipenbetreiber Bert Papenfuß, der mit seinen grammatisch und politisch renitenten Gedichten zuerst die SED-Literaturdoktrin, später dann die Apostel des wiedervereinigten Deutschlands bedrängte. Für die „Aktualität des Partisanen“ kämpft der 1956 in Reuterstadt Stavenhagen geborene und heute in Berlin lebende Papenfuß nicht nur in anarchistischen Postillen wie „Sklaven“, „Sklavenaufstand“ und „Gegner“, sondern auch in seinen Gedichten, die sich ihre politische Frivolität und ästhetische Häresie nicht austreiben lassen. In den 70er und 80er Jahren gehörte Papenfuß zu den bedeutendsten Vertretern der ästhetisch dissidenten Undergroundliteratur in der DDR, die nur in subkulturellen Nischen ihre Kunst zirkulieren lassen konnte. Seine Texte trug er zeitweise zusammen mit Rockgruppen vor und er publizierte sie in Form von autarken Lyrik-Grafik-Editionen, die in kleinsten Auflagen erschienen und dadurch eine unzensierte Kommunikation mit wahlverwandten Dichtern ermöglichten. Alles was sich im Zeichensystem Sprache in syntaktisch oder semantisch festen Bahnen bewegt, wurde vom poetischen Alchemisten Papenfuß de-reguliert, aufgelöst und neu codiert. Dieser Dichter liebt die „sinnfielteilung“ der Poesie und mobilisiert das ganze Arsenal an sprachschöpferischen Techniken, um die Fundamente der etablierten Sprachordnung zu erschüttern. Seine poetische Sabotage zielte zunächst auf die phrasenhafte Sprache des SED-Staats, später dann auf den „totalen mumienschanz“ des gesamtdeutschen Turbokapitalismus. Seinen politisch befriedeten Kritikern zum Trotz, die den einstigen Vordenker der „Prenzlauer Berg Connection“ in der abgewetzten schwarzen Montur der Anarchie nicht mehr sehen mögen, setzt Papenfuß seinen „langen marsch in die konterprovokation“ weiter fort. In seinem jüngsten Werk „Rumbalotte“ (2005) gibt sich der Dichter des „kulturbolschewistischen nomadentums“ weiter kampfeslustig. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: N. C. Kaser Lyrikpreis (1988), F. C. Weiskopf Preis (1991), Erich Fried Preis (1998), Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschlands.

Veröffentlichungen (Auswahl): – „harm. arkdichtung 77", KULTuhr, Berlin 1985 – „dreizehntanz“, Aufbau, Berlin/Weimar 1988, Lizenzausgabe Luchterhand, Frankfurt a. M. 1989 – „Vorwärts im Zorn usw. Gedichte“, Grafiken von StrawaldeI, Aufbau, Berlin 1990 – „nunft“, Steidl, Göttingen 1992 – „naif. gedichte 1973 bis 1976“, Janus Press, Berlin 1993 – „till. gedichte 1973 bis 1976 “, Janus Press, Berlin 1993 – „Mors ex Nihilo. Ein Poem in 3 Teilen und 484 Versen“, Zeichnungen von Jörg Immendorff, Galrev, Berlin 1994 – „routine in die romantik des alltags“, Janus Press, Berlin 1995 – „TrakTat zum Aber. gedichte 1981 bis 1984“, Janus Press, Berlin 1996 – „Berliner Zapfenstreich. Schnelle Eingreifgesänge“, Zeichnungen von A. R. Penck, BasisDruck, Berlin 1996 – „hetze. gedichte 1994 bis 1998“, Janus Press, Berlin 1998 – „Haarbogensturz. Versuche über Staat und Welt“, Zeichnungen von Tom Platt, BasisDruck, Berlin 2001 – „Rumbalotte Continua. 1. Folge“, Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2004 – „Rumbalotte Continua. 2. Folge“, Kramer, Berlin, September 2005 – „Rumbalotte. Gedichte 1998–2005“, Urs Engeler Editor, Basel, August 2005
Übersetzungen (Auswahl) – Gerhard Falkner und Sylvère Lotringer (Hrsg.): „AM LIT. Neue Literatur aus den USA“, Beitrag, Galrev, Berlin 1992 – „SLAM! POETRY. Heftige Dichtung aus Amerika“, Beitrag, Galrev, Berlin 1993 – Artjom Wesjoly: „Der Goldene Meißel. Gedichte in Prosa“, zus. mit Ilia Kitup. In Gegener Nr. 12, BasisDruck, Berlin 2002 – Tone Avenstroup: „østers ørske/austertaumel. Gedichte 1995 bis 2002“, zus. mit Tone Avenstroup, BasisDruck, Berlin 2004


Sonntag, 28. August, 13 Uhr, Schlossgarten