Gerhard Falkner Nichts ist diesem Autor verhasster, als das gockelhafte Gebaren eitler Kollegen, die in vergeblichen Platzkämpfen an die Fleischtöpfe des literarischen Ruhms drängen. Zu diesem jämmerlichen „Häuflein sprachlich vermurkster Gedichtwarenvertreter“ wollte und will der 1951 in Schwabach geborene und in der Nähe von Nürnberg lebende Gerhard Falkner nie gehören. Schon als er 1981 mit seinem Debütband „so beginnen am körper die tage“ die literarische Arena betrat, verweigerte er sich den Suggestionen des Zeitgeists und wandte sich sowohl von der matten Subjektivitätspoesie der damals dominierenden Alltagsrealisten als auch von dem „verausgabten“ experimentellen Gedicht ab. Mit Falkner war 1981 plötzlich wieder ein Dichter präsent, der unter offenem Bezug auf die Romantik und in „heftigen Bildern“ wieder „schöne“ Gedichte schreiben wollte, Gedichte in barocker Sinnlichkeit und Wortopulenz. Diese frühen Gedichte, so hat Falkner im Rückblick auf seinen Erstling betont, „überfielen mich wie Schweißausbrüche ..., sie gründeten nicht auf Ehrgeiz, sondern auf Erregung.“ Dieses körperhafte Erregungspotenzial und ästhetische Schönheitsverlangen findet man auch in den nachfolgenden Bänden „der atem unter der erde“ (1984) und „wemut“ (1989), wobei die ironisch-elegischen Töne der Gedichte immer rückgebunden sind an eine rationale Poetologie, die sich der Begrenzungen des lyrischen Sprechens bewusst bleibt. In den glitzernden Apercus des Bandes „Über den Unwert des Gedichts“ (1993) polemisierte Falkner gegen eine kommunikative Sprache, die als „geführte Sprache“ aus dem Gedicht ausgeschlossen bleiben soll. Mit seinem Gedichtband „wemut“ hatte sich Falkner von der Gattung Lyrik verabschieden wollen, in zorniger Abkehr von den boulevardesken Imperativen eines gedichtblinden Literaturbetriebs. 1990 zog er sich für ein Jahr aus dem literarischen Leben an die Westküste der USA zurück, durchbrach aber dann die selbst auferlegte poetische Mangelwirtschaft mit dem Auswahlband „X-te Person Einzahl“(1996). Von den „destabilisierungen“ seines konzeptuellen Bandes „Endogene Gedichte“ (2000) zeigten sich danach viele Kritiker überfordert. Wurde hier doch das „Sprachkraftwerk“ der Falknerschen Dichtung in eine „Offene Abteilung“ und eine „Geschlossene Abteilung“ unterteilt und der Begriff der „manischen Sprache“ entfaltet. Aber das Manische, Süchtige, Besessene ist bei Falkner wie in der antiken Mythologie verbunden mit dem Begriff des Göttlichen und wird durch die Dichtung gleichsam geheilt. In seinem neuen Langgedicht „Berlin – ground zero“ zeigt Gerhard Falkner nun äußersten Wagemut: „Der 11. September hat meine Zeilen eiskalt erwischt / Oder war es der 5. März. Ich weiß es nicht / Jedenfalls war ich zur Wirklichkeit, wie sie sich / sogar über Hiroshima hinaus erhalten hatte / so nicht mehr bereit.“ Vor dem Horizont der Metropole Berlin verbinden sich in diesem großen Geschichtspoem die punktuellen Wahrnehmungen des lyrischen Augenblickssammlers mit den großen Kräften der Historie: mit Mauerfall, Wiedervereinigung und schließlich dem denkwürdigen 11. September. Es drohen die Kräfte des Untergangs: „Was zerstört, wird zerstört werden, und wenn Schönheit zerstört wird, entsteht >ground zero<.“ (M.B.)„Silent wings – stille Flügel oder leise Schwingen?“ Im Rahmen der Übersetzerwerkstatt berichtet Gerhard Falkner zusammen mit Nora Matocza aus ihrer gemeinsamen Übersetzertätigkeit am Beispiel von William Butler Yeats und Mark Z. Danielewski. Die neue Übersetzung der „Gedichte” von William Butler Yeats ist für September 2005 bei Luchterhand angekündigt. Falkner und Matocza stellen Proben daraus in der Übersetzerwerkstatt vor. (A.LS.) Auszeichnungen u. a.: Städteförderpreis New York, Deutsches Haus (1981), Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin (1983), Stipendium Villa Massimo, Rom (1986), Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1986, 1998), Bayerischer Staatsförderpreis (1987), Stipendium auf Schloß Wiepersdorf (1998), Stipendium Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (2003), Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung (2004). Veröffentlichungen (Auswahl): – „so beginnen am körper die tage. gedichte und aufzeichnungen aus einem kalten jahr“, Luchterhand, Darmstadt u. a. 1981 – „der atem unter der erde“, Gedichte, Luchterhand, Darmstadt u. a. 1984 – „Berlin. Eisenherzbriefe“, Briefsammlung, Luchterhand, Darmstadt u. a. 1986 – „wemut. gedichte“, Luchterhand, Frankfurt a. M. 1989 – „AM LIT. Neue Literatur aus den USA“, Übers. und Hrsg. zus. mit Sylvère Lotringer, Druckhaus Galrev, Berlin 1992 – „Über den Unwert des Gedichts. Fragmente und Reflexionen“, Aufbau, Berlin 1993 – „X-te Person Einzahl. Gedichte“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1996 – „Der Quälmeister. Nachbürgerliches Trauerspiel“, DuMont, Köln 1998 – „Alte Helden. Schauspiel und deklamatorische Farce“, DuMont, Köln 1998 – „Budapester Szenen. Junge ungarische Lyrik“, Hrsg. zus. mit Orsolya Kalász, DuMont, Köln 1999 – „Endogene Gedichte. Grundbuch“, DuMont, Köln 2000 – „Gegensprechstadt – ground zero. Langgedicht“, Buch und CD, Musik von David Moss, kookbooks, Idstein/Berlin, September 2005 Übersetzungen (Auswahl): – Grant Michaels: „Tödliche Trüffel“, Kriminalroman, zus. mit Nora Matocza, Rotbuch, Berlin 1994 – Michael Palmer: „Gedichte”, in: Joachim Sartorius: „Atlas der neuen Poesie”, Rowohlt, Reinbek 1996 – Lavinia Greenlaw: „Nachtaufnahmen. Gedichte in zwei Sprachen“, zus. mit Nora Matocza, DuMont, Köln 1998 – Anne Carson: „Glas, Ironie und Gott. Gedichte“, zus. mit Alissa Walser, Piper, München 2000 – Russel James: „Schlachtmusik“, Kriminalroman, zus. mit Nora Matocza, DuMont, Köln 2000 – Aleš Šteger: „Kaschmir“, Gedichte, Edition Korrespondenzen, Wien 2001 – Richard Dove: „Gedichte”, Lyrikedition 2000, München 2003 – William Butler Yeats: „Die Gedichte“, zus. mit Marcel Beyer, Mirko Bonne u. a., Luchterhand, München, September 2005 Theater (Auswahl): – „Alte Helden“, UA Landestheater Bozen, April 2001, Hörspielfassung BR 2002 – „A Lady Di es. Eine Oper der verbrauchten Sprachen“, Libretto, Musik Stefan Hippe, UA Tafelhalle Nürnberg, März 2000 Freitag, 26. August, 11 Uhr, Markgrafentheater Bühnenhaus, Samstag, 27. August, 18.30 Uhr, Schlossgarten und Sonntag, 28. August, 14 Uhr, Orangerie im Schlossgarten |
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