Ruth Schweikert „Aber wie und womit hat es angefangen“, fragt Merete ihren Ehemann Andreas eines Nachts, doch seine Antwort kann sie nicht mehr hören. Andreas hat ihr ein Schlafmittel in die Cola getan, in Durban, irgendwo in Südafrika, wo Merete Jahrzehnte zuvor auf einer Türschwelle ausgesetzt worden war. Meretes und Andreas’ Ehe ist zerrüttet – aber wie und womit hat es angefangen? Behutsam und mit einem ruhigen Erzählatem geht Ruth Schweikert in ihrem zweiten Roman den Winkelzügen der Liebe nach. Dabei zeigt sich, dass nie nur ein Mann und eine Frau im Spiel sind, sondern mindestens noch vier weitere Personen: Väter und Mütter, Großväter und Großmütter, deren Schicksal sie in die Ehegeschichte von Merete und Andreas einwebt. Andreas’ Großeltern, aus einem italienischen Bergdorf in die Schweiz eingewandert, haben in seinem Inneren ebenso tiefe Spuren hinterlassen, wie sein schwieriger Vater, der mit seinem anziehenden Wesen Frauen und Männer in den Bann schlug. Seinen Sohn stürzte die Bisexualität des Vaters in tiefe Konflikte, auch weil die Mutter die Abwendung ihres Mannes so unterwürfig zu ertragen schien. Dass seine Leidenschaft empirischen Forschungen gehört – Andreas ergreift den Beruf des Gynäkologen –, scheint den verdeckten, unausgesprochenen Geheimnissen in seinem Elternhaus geschuldet. Merete, eine ewig promovierende Kunsthistorikerin, erfuhr erst mit 27 Jahren von ihrer ungewissen Herkunft. Die Entfremdung von ihren Eltern, einem selbstgefälligen Waffenhändler plus valiumsüchtiger Luxusgattin, nimmt dadurch noch zu. Als sie mit Andreas eine eigene Familie gründet und zwei Söhne bekommt, scheinen die Gespenster der Vergangenheit abgewendet. Doch die prekäre Balance gerät aus dem Lot: Merete trifft einen anderen Mann, der ältere Sohn hat durch Andreas’ Unachtsamkeit einen schweren Unfall, Andreas zieht sich vollständig zurück, bis er nach Südafrika aufbricht. Ruth Schweikert, 1964 in Lörrach geboren, tastet die Schmerzpunkte von Familienbeziehungen ab: nüchtern, präzise, ohne moralisierende Bewertungen. (M. A.)Auszeichnungen u. a.: Bertelsmann-Stipendium beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1994), Suhrkamp-Stipendium (1996), Ehrengaben der Stadt und des Kantons Zürich (1998), Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (1999). Veröffentlichungen (Auswahl): – „Erdnüsse. Totschlagen“, Erzählungen, Rotpunkt, Zürich 1994, Taschenbuch dtv, München 1996 – „Augen zu“, Roman, Ammann, Zürich 1998, Taschenbuch Fischer, Frankfurt a. M. 2000 – „Ohio“, Roman, Ammann, Zürich 2005 Theater (Auswahl): – „Welcome home“, UA Theater am Neumarkt, Zürich 1998 Sonntag, 28. August, 17.30 Uhr, Schlossgarten |
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