Thomas Lang

Wie wird es wohl enden, das ewige Drama zwischen Vater und Sohn? In Thomas Langs mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 2005 ausgezeichneter Erzählung „Am Seil“ trennt die zwei schuldhaft verstrickten Helden nur noch ein Querbalken, ein Seil und ein Schritt vom tödlichen Abgrund. Vater und Sohn sind in einer alten Scheune symbolisch aneinander gekettet und kommen nicht mehr voneinander los. „Komm, Vater“: Die letzten Worte des Sohnes lassen offen, ob der Weg in den Tod führt oder in die unerwartete Rettung. Die Juroren des diesjährigen Bachmannpreises zeigten sich fasziniert von diesem „lückenlos kalkulierten Thriller“, der einen Vater-Sohn-Konflikt als „Kammerspiel auf der Tenne“ inszeniert und als „Bergdrama“, das mit großer Strenge und „einer inneren Gewalttätigkeit das Ende eines Menschen und das Ende einer Verstrickung beschreibt“. Als verstörendes Spiel mit Rätseln und Mysterien war schon Langs Debütroman „Than“ angelegt. Moritz Than, der stumme Held dieses Romans, ist wohl der rätselhafteste Fremdling, der je in der deutschen Gegenwartsliteratur aufgetaucht ist. Traumatisiert nach einem Unfall in einem Filmstudio, verlassen von seiner Freundin, zieht er sich auf eine namenlose Insel in einem bayerischen See zurück, gejagt von den Furien der Erinnerung. In dieser Inselwelt aus Eis, Kälte und Erstarrung versucht sich der stumme, isolierte Rekonvaleszent den Zumutungen der Existenz auszusetzen. Ein Junge ist auf der Insel ermordet worden, ein Mädchen beinahe im See ertrunken. Allmählich beginnen Wahn und Wirklichkeit ineinander überzugehen, und Than beginnt sich in schizophrener Selbstentzweiung als Jäger und Gejagter zu halluzinieren. Man weiß nicht mehr, wer hier spricht: das Opfer der eigenen Halluzinationen, ein Mann im Fieberdelirium, ein verzweifelt Isolierter? Der 1967 im nordrhein-westfälischen Nürmbrecht geborene Thomas Lang, der heute mit seiner Familie in München lebt, verdankt viel seiner Beschäftigung mit den filmischen Welten David Lynchs und Stanley Kubricks. Diese Filmemacher infizierten ihn mit der Passion für die Auflösung der Grenzlinien zwischen Realität und Traum, die Lang in seinen Erzählungen und seinem Roman so kunstvoll inszeniert. Im Brotberuf arbeitet Thomas Lang als freier Lektor für Sachbuchverlage und als regelmäßiger Autor für eine Computerzeitschrift. In den phantastischen Konstruktionen seiner Literatur gibt es solche pragmatischen Alltags-Sicherheiten nicht mehr: Dem Leser wird der Boden unter den Füßen weggezogen. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Seminar für Romanautoren der Bertelsmann-Stiftung, des Literaturhauses München und des Deutschen Literaturfonds (1998), 3. Klagenfurter Literaturkurs, Literaturstipendium der Stadt München (1999), Bayerischer Staatsförderungspreis Literatur, Marburger Literaturpreis (2002), Seminar für Nachwuchsschriftsteller, Nordkolleg Rendsburg (2004), Ingeborg-Bachmann-Preis (2005).

Veröffentlichungen (Auswahl): – „Than“, Roman, Wagenbach, Berlin 2002, Taschenbuch ebd., August 2005 – „Das Innenleben der Tiere“, in: „EDIT. Papier für neue Texte“, Nr. 32, Leipzig 2003 – „Sex-Monster“, Erzählung, in: Margit Knapp, Hrsg.: „Wieder vereinigt. Neue deutsche Liebesgeschichten“, Wagenbach, Berlin 2005


Samstag, 27. August, 17 Uhr, Schlossgarten