Hans-Ulrich Treichel


   

Niemand nennt die Deutschen humorvoll. Und doch gibt es einen Schriftsteller, der bringt es in seinen Romanen und Erzählungen immer wieder fertig, dass man schmunzelnd lacht oder lachend schmunzelt. Denn Hans-Ulrich Treichel beschreibt in fast all seinen Büchern, in „Heimatkunde oder Alles ist heiter und edel“, in seinem sehr erfolgreichen Roman „Der Verlorene“ und in seinem neuen Roman „Der irdische Amor“, den Typus des ostwestfälischen Naivlings. Ostwestfalen ist das Synonym für das Zurückgebliebene, eine Landschaft der Langsamkeit, in die er 1952 hineingeboren wurde. Treichels Figuren sind liebessüchtig und vom Pech verfolgt. Albert heißt Hans-Ulrich Treichels „Irdischer Amor“. Albert studiert in Berlin Kunstgeschichte und stürzt sich mit großem Eifer auf die Interpretation der Werke des italienischen Malers Caravaggio und überlegt, wenn er betäubt von Caravaggios erotisch aufgeladenen Gemälden aufschaut, wo und wie er die Frau findet, die sich mit den Bildern seiner Träume deckt. Albert neigt zur Übertreibung. Schon als Gymnasiast war er wegen seiner Liebe zu Katharina vom Internat geflogen, schon als Schüler bugsiert er sich von einer absurden Situation in die nächste. Das ist als Student in Berlin, Perugia und Rom nicht anders. Albert sucht das Wilde und findet die schöne Elena. Im wilden Sardinien, nach wilden Nächten im kahlen Schlafzimmer neben Elenas neuem Kosmetiksalon, erkennt er, was er längst weiß: Sardinien ist wilder als Ostwestfalen, aber Sardinien ist „allenfalls der Schafstall Italiens“ und dennoch zu wild für ihn. Und es könnte sein, dass Albert so weit wegreisen musste, um das naheliegende Glück zu finden.
Hans-Ulrich Treichel amüsiert sich über den mit seiner Sexualität kämpfenden Albert, über die spießigen Eltern seiner Jugendliebe, über den weihevollen Universitätsbetrieb, über Italiener in Berlin. Er lacht über den kindlichen Mann, über seine Ängste und Träume rund um das Geschlecht. Hans-Ulrich Treichels neuer Roman ist anzüglich, sehr komisch und wunderbar leicht geschrieben. Der Autor des „Irdischen Amor“ tröstet die Männer und liefert x Beweise, dass die Frauen die Stärkeren sind. (V.A.)

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Liebe Not“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1986
– „Die Fremdheit der Sprache. Studien zur Literatur der Moderne“, Hrsg. zus. mit J.C. Schütze und Dietmar Voss, Argument, Hamburg 1988
– „Seit Tagen kein Wunder“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1990
– „Von Leib und Seele“, Berichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1992
– „Der einzige Gast“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1994
– „Auslöschungsverfahren. Exemplarische Untersuchungen zur Literatur und Poetik der Moderne“, Fink, München 1995
– „Heimatkunde oder Alles ist heiter und edel. Besichtigungen“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1996
– „Der Verlorene“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1998
– „Über die Schrift hinaus. Essays zur Literatur“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000
– „Tristanakkord“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000, Taschenbuch ebd. 2001
– „Der Entwurf des Autors“, Frankfurter Poetikvorlesungen, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000
– „Der irdische Amor“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2002
– „Gespräch unter Bäumen“, Gesammelte Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M., September 2002
Libretti (Auswahl):
– „Tre Opere per Burratini“, Musik: Hans Werner Henze u.a., UA Montepulciano/Italien 1984, Neufassung unter dem Titel „Knastgesänge. Drei Musiktheaterstücke für Puppenspieler, Sänger und Instrumentalisten. Variationen über vier Lieder von Hans Werner Henze“, Komponiert von Jörg Widmann 1995, UA Theater Basel 1996
– „Das verratene Meer“, Musikdrama, nach dem Roman von Yukio Mishima, Musik von Hans Werner Henze, Schott, New York 1990
– „Venus und Adonis. Oper in einem Akt für Sänger und Tänzer“, Musik von Hans Werner Henze, Schott, Mainz/New York 1995
– „Das Mädchen und das Ungeheuer. Szenen aus der Märchenwerkstatt“, Promenadenkonzert für Sänger, Schauspieler und Instrumentalisten, UA in Deutschlandsberg/Österreich 1986
– „Sinfonie Nr.9 für gemischten Chor und Orchester. Dichtung auf Anna Seghers Roman ‚Das siebte Kreuz’“, Musik von Hans Werner Henze, UA Berlin 1997

Termin:
– Sonntag, 1.September 2002, 16.00, Schlossgarten
– Sonntag, 1. September, 17.30, Markgrafentheater, Podium "Bücherflut"

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