Bernd Schroeder


   

Es ist ein Buch aus einer anderen Zeit. Und aus einer anderen Welt. Und es spielt doch inmitten unserer Gegenwart. Eine Beziehungsgeschichte mit scheinbar archaischen Zügen. Massimo und Severina leben auf einer Almhütte in den italienischen Alpen. Fast idyllisch. Doch eines Tages zwitschert Massimo mit einer Touristin ab. Nach einem Jahr kommt er reumütig zurück. Doch Severina schweigt. Sie spricht nicht mehr, zu niemandem. Sie hatte sich regelrecht in ihr Schweigen zurückgezogen.
Bernd Schroeder versteht es nun aber, dieses Schweigen beredt zu machen. Mit einfachen Worten, ohne falsches Pathos. Er versteht es, Gefühle zu beschreiben, ohne gefühlig zu werden.
Massimo geht oft ins Dorf. Sucht in der Kneipe, auch bei der Bedienung, Trost und Ablenkung. Eines Tages, es war schon spät geworden, kehrt er doch noch auf ihren Berg zurück. Severina scheint zu schlafen. Er packt sich zu ihr ins Bett, krault ihr den Rücken und erzählt, dass im Fernsehen ein Japaner Spaghetti gekocht habe. Am nächsten Morgen, die beiden sitzen, wie immer schweigend, beim Frühstück, lacht Severina plötzlich. Was lachst du? fragt er. „Ein Japaner und Spaghetti. Sagt sie.“ Dann wiederholt Schroeder den letzten Satz: „Sagt sie!“ und setzt ein Ausrufezeichen dazu. Und damit ist alles gesagt. „Die Madonnina“, nach „Versunkenes Land“ (1993) und „Unter Brüdern“ (1995), erst der dritte Roman von Schroeder, ist tatsächlich, wie es im „Spiegel“ hieß, ein „kleines Wunderwerk“ geworden. Mit leiser Poesie und hoher Kunstfertigkeit ist es Schroeder gelungen, die Ungleichzeitigkeit eines gegenwärtigen Lebens eindrucksvoll anschaulich zu machen. In diesem Herbst erscheint unter dem Titel „Rudernde Hunde“ eine Sammlung von Erzählungen, die Bernd Schroeder zusammen mit seiner Frau geschrieben hat. Seine Frau meinte einmal, er, Schroeder, sei der bessere Schriftsteller in dieser Familie. Vermutlich hat sie Recht. Der Name seiner Frau ist übrigens Elke Heidenreich. (M.L.)

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der eiserne Weg: die Geschichte des Eisenbahnbauarbeiters Veit Kolb“, nach einem Fernsehfilm in fünf Teilen für das ZDF, Elster, Moos u.a. 1985
– „Versunkenes Land“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1993, Taschenbuch Heyne, München 1995
– „Unter Brüdern“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1995
– „Kleine Philosophie der Passionen: Handwerken“, dtv, München 1999
– „Die Madonnina“, Roman, Hanser, München 2001
– „Rudernde Hunde“, Geschichten, zus. mit Elke Heidenreich, Hanser, München, August 2002

 

 

Termin:
– Sonntag, 1. September 2002, 14.00, Schlossgarten

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