Ulrich Peltzer wurde 1956 in Krefeld geboren. Er studierte Philosophie,
Psychologie und Soziologie in Berlin, wo er seit 1975 lebt. Für sein
Schaffen erhielt er zahlreiche Stipendien, Preise und Auszeichnungen,
darunter 1992 das Stipendium für Stefan Martinez im Rahmen
des Ingeborg-Bachmann-Preises, den Anna-Seghers-Preis für deutschsprachige
Autoren 1997, den Preis der Stiftung Preußische Seehandlung 1998,
den Preis der SWR-Bestenliste 1999, sowie den Niederrheinischen Literaturpreis
2001.
Sein erster Roman hat ihn fast berühmt gemacht. In Die Sünden
der Faulheit (1987) erzählte er fünf Tage aus dem Leben
eines jungen Mannes, eines Musikjournalisten in Berlin, der seelisch und
sozial auf dem Abstieg ist. Alles, was ihm widerfährt, ist auf seine
Apathie, sein Nachtleben und seinen Drogenkonsum zurückzuführen.
Er ist gleichsam das Medium dieser Stadt und erzählt wird mit wechselnden
Ereignissen ein Zustand, das Lebensgefühl eines Bohemiens der achtziger
Jahre. Mit raffinierter Schnitttechnik ist dieser Roman in ungezählte
Spots zerlegt, in diverse Textsorten gesplittet.
Peltzer setzte seinen Weg fort mit dem Roman Stefan Martinez
(1995): ein sprachlich ungemein dichtes Opus, das in der Erzählzeit
nur zwei Berliner Tage umfasst, in der erzählten Zeit hingegen bis
zum Ersten Weltkrieg zurückschweift. Der Roman einer Generation:
der damals Vierzigjährigen, die als Leser zu Komplizen gemacht werden.
Martinez, Sohn einer Deutschen und eines Spaniers, zerdenkt seine Tage
im Büro, lässt die Welt in Gedanken auf sich hereinstürzen,
lässt sich überschwemmen vom Roman der Großstadteindrücke,
von einem Strom aus verschiedenen Sprachpartikeln und Erzählpartien.
Franz Biberkopf, das Geschöpf Alfred Döblins, vor einem Riesenbildschirm,
auf dem das Patchwork der Reden, Erinnerungen, Bewusstseinsfetzen, Wahrnehmungspartikel
erscheint.
Die neue Erzählung Bryant Park von diesem Frühjahr
spielt in Midtown von New York, auf einem Tableau, das den Alltag und
Gewesenes, die Signaturen der Gewöhnlichkeit und das Flirren des
Bewusstseins enthält. Ein Großbild im kleinen Format von knapp
160 Seiten, hochelegant in der Technik der Schnitte, der Überblendungen,
der Simultaneität von Geschichten, die auch in Berlin und in Süditalien
spielen. Auf Seite 122 bricht Realzeit in dieses Kunstgebilde: die Attacke
der Terroristen auf das World Trade Center unterbricht die Erzählung,
bis die Geschichte ihre Unterbrechung überwindet und wieder zu sich
selbst zurückfindet ein Beispiel für die Irritation durch
Wirklichkeit, der Kunst ausgeliefert ist und von der sie ihre beharrliche
Stärke bezieht. (W.F. Sch.)
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