Monika Maron


   

Jetzt das. Es musste wohl so kommen. Das Ende der DDR liegt heute bereits länger zurück als das Dritte Reich überhaupt gedauert hat. Und mit dem Ende der DDR haben sich, im Osten wie im Westen, die Bedingungen des Schreibens massiv verändert, vor allem natürlich für die Autoren, die aus dem Osten kamen. Mit dem, wohlgemerkt, nicht allein durch das Ende dieses sogenannten Arbeiter- und Bauernstaates wurde unsere Literatur geradezu auf radikale Weise entpolitisiert. Was sich in dem letzten Jahrzehnt verändert hat, das lässt sich – heute – an Monika Marons kleinem Bändchen „Nach Maßgabe meiner Begreifungskraft. Artikel und Essays“ aus dem Jahre 1993 haargenau ablesen.
Das „antifaschistische Kind“, das sie einst war, und von dem sie damals erzählte, ist regelrecht Geschichte geworden: so scheint es nur folgerichtig, dass ihr neuer Roman „Endmoränen“ von den ganz persönlichen Sorgen und Kümmernissen einer alternden Frau erzählt, der die Flüchtigkeit des Glücks und die Stetigkeit des Alterns schmerzlich vor Augen steht. Die Falten lassen sich nicht verbergen. Es ist wahrlich ein altes Problem, auch wenn es jede Generation aufs Neue trifft. Johanna, die alternde Heldin, schreibt einmal: „Heute kommt es mir vor, als hätte ich damals darauf gewartet, daß mein eigentliches Leben eines Tages noch beginnt (...) Und jetzt, ein paar Jahre später, hat mich die Ahnung, eher die Furcht befallen, es könnte schon wieder vorbei sein mit dem eigentlichen Leben. Die Furcht also: daß für bald diese öde lange Restzeit beginnt, zwanzig, dreißig Jahre Restzeit.“ Mit diesem Grauen vor dem eigenen Körper, seinem unaufhaltsamen Verfall, nicht nur an Haut und Haaren. Wie man aus solchen Empfindungen einen packenden Roman machen kann, das demonstriert Monika Maron in diesen „Endmoränen“ auf eine faszinierende Weise, die – zugegeben – vielleicht nicht alle Altersgruppen gleichermaßen nachempfinden können. Sie beschreibt nicht nur äußerst subtil, sondern sogar auf spannende Weise diesen Prozess der Veränderungen, in dem sich eine individuelle Lebensgeschichte auf engste und doch fast unmerklich mit der politisch gesellschaftlichen Entwicklung verbindet. Da zeigt sich, zum Glück, dass auch im Altern Glück noch möglich ist. Und dabei zeigt sich zudem, dass sich Monika Maron, bei aller Veränderung, treu geblieben ist. (M.L.)

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Moral der Frau Förster“, in: „Die Wochenpost“, Berlin/DDR 1974, auch in: Ingrid Krüger (Hrsg.): „Tagesordnung. Literarische Reportagen aus der DDR“, Luchterhand, Darmstadt/Neuwied 1985
– „Flugasche“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1981, Taschenbuch ebd. 1991
– „Das Mißverständnis“, Vier Erzählungen und ein Stück, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1982, Taschenbuch ebd. 1991
– „Die Überläuferin“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1986, Taschenbuch ebd. 1990
– „Trotzdem herzliche Grüße. Ein deutsch-deutscher Briefwechsel“, zus. mit Joseph von Westphalen, Fischer, Frankfurt a.M. 1988
– „Stille Zeile sechs“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a.M. 1991, Taschenbuch ebd. 1998
– „Nach Maßgabe meiner Begreifungskraft. Artikel und Essays“, Fischer, Frankfurt a.M. 1993, Taschenbuch ebd. 1995
– „Animal triste“, Roman, Fischer, Frankfurt a.M. 1995, Taschenbuch ebd. 1997
– „Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte“, Fischer, Frankfurt a.M. 1999, Taschenbuch ebd. 2001
– „Berlin, Metropole“, Rowohlt, Berlin 1999
– „Quer über die Gleise. Essays“, Artikel, Zwischenrufe, Fischer, Frankfurt a.M. 2000
– „Herr Aurich“, Erzählung, Fischer, Frankfurt a.M. 2001
– „Endmoränen“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a.M., August 2002
Theater:
– „Ada und Evald“, UA Wuppertaler Bühnen, 15.11.1983, Regie: Dieter Reible

Termin:
– Samstag, 31. August 2002, 15.30, Schlossgarten

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