Peter Glaser


   

Mit einem Paukenschlag betrat Peter Glaser 1983 die literarische Bühne. Der Schlag in Worten: „Der große Hirnriß“. Der erste deutsche Punk-Roman. „Der Apo-Opa und der Punk“ betitelte der „Spiegel“ damals seinen literarischen Frontbericht. „Neue Mitteilungen aus der Wirklichkeit“ stand auf dem Buchumschlag. Ein Initialereignis, das die Literatur auf die Barhockerhöhe des Zeitgeistes brachte. – So in etwa ist der Roman ins Gedächtnis eingegangen. Aber stimmt das alles eigentlich?
Tatsächlich hat der 1957 in Graz geborene und 1982 nach Düsseldorf, ins damalige Punk-Mekka umgesiedelte Peter Glaser eine neue Bildlichkeit für die zeitgenössische Erfahrung gefunden. Orientiert an großstädtischem Alltag, in ironischer Bejahung der Kälte, mit Liebe zu Geschwindigkeit und heftiger Metaphorik, verließ er die Sphäre selbstquälerischer Innerlichkeit und stereotyper Sozialkritik und klatschte literarisch so heftig in die Hände, dass die alten Gespenster aufschreckten.
Einen besonderen Effekt machte „Der große Hirnriß“ allerdings auch deshalb, weil er von zwei Autoren geschrieben wurde. Der andere Autor ist Niklas Stiller, zehn Jahre älter als Glaser, Arzt von Beruf, der die Lebenshaltung eines introvertiert gewordenen sogenannten Achtundsechzigers verkörperte. Der Kontrast erst macht die Musik. Damit war ein literaturgeschichtlicher Einschnitt gegeben, der Ähnlichkeit mit dem der Neuen Wilden in der Malerei und der Neuen Deutschen Welle in der Musik hatte.
Doch es war von Anfang an ein Missverständnis, Peter Glaser auf die Funktion des literarischen Rebellen festzulegen. Denn tatsächlich ist es seine melancholisch getönte hypertrophe Bildlichkeit – also ein genuin literarisches Stilmittel –, die seine Prosa besonders macht. Eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat er diese seine eigentümliche Ausdrucksgabe unter anderem in dem Erzählband „Schönheit in Waffen“. Und später auch immer wieder in seinen, auch in Buchform vorliegenden Kolumnen „Glasers heile Welt“ und „Glasers blauer Planet“ in der Illustrierten „Tempo“.
Dann hat sich Peter Glaser einige Jahre ganz den ästhetisch-kommunikativen Implikationen der Informationstechnologie zugewandt und sich in der Welt der Hacker und jungen Netz-Ingenieure einen Namen gemacht.
In diesem Jahr endlich hat sich der mittlerweile in Berlin lebende Peter Glaser mit einem glänzenden Beweisstück seiner besonderen literarischen Fähigkeiten zurückgemeldet. Mit der Erzählung „Geschichte von Nichts“ gewann er den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. (H.W.)

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der große Hirnriß“, Roman, zus. mit Niklas Stiller, Rowohlt, Reinbek 1983
– „Rawums: Texte zum Thema“, Hrsg., Kiepenheuer & Witsch, Köln 1984
– „Vorliebe. Journal einer erotischen Arbeit“, Rowohlt, Reinbek 1986
– „Schönheit in Waffen“, Stories, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1985, Taschenbuch Goldmann, München 1987
– „Neues im Westen“, Kolumnen, Essays, Berichte, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1988
– „24 Stunden im 21. Jahrhundert. Onlinesein. Zu Besuch in der Neuesten Welt“, Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 1995
– „Online-Universum“, Metropolitan Verlag, Düsseldorf 1996
– „Das Kolumbus-Gefühl. Entdeckungen in einer virtuellen Welt“, Verlag für das Künstlerbuch, Berlin 1999
– „Geschichte von Nichts“, Ingeborg-Bachmann-Preis 2002

 

 

Termin:
– Sonntag, 1. September 2002, 18.00, Schlossgarten

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