Albert Ostermaier


   

Als Theaterautor hat der 1967 in München geborene Albert Ostermaier in den vergangenen Jahren mit seinen unmittelbar ans zentrale Nervensystem unserer Gesellschaft rührenden Stücken „Letzter Aufruf“ und „Erreger“ Furore gemacht. Die stark gestische Sprache seiner Theatertexte ist auch zur Antriebskraft seiner expressiven Großstadtpoeme und Liebesgedichte geworden.
Das „Geheul“ der amerikanischen Beat Poetry noch im Ohr, feiern Ostermaiers Gedichte den sinnlichen Augenblick und die großen Gefühle, sie erzählen von den Aufbruchsphantasien „on the road“ und dem jähen Aufeinanderprallen von romantischem Liebestraum und brutaler Desillusionierung.
In seine neoexpressionistischen Verse, die immer den direkten Zugriff auf unsere Großstadtrealität suchen, mixt Ostermaier die nervösen Sounds der Pop- und Techno-Kultur. Seine poetischen Bilder sind in ihrer Plastizität den modernen Mythen des Films und den Bilderwelten der Comics entlehnt. Von seinem ersten Gedichtband „Herz Vers Sagen“ (1995) an kreist die lyrische Phantasie um das alte Schlüsselwort der Poesie, das „Herz“. Dem alten Herz-Motiv setzt er aber zu mit modernster Maschinen- und Körpermetaphorik. Das lyrische Subjekt findet seine gefährlichen Liebschaften und problematischen Musen in Supermärkten, flieht mit ihnen „on the road“ und lässt die Kulissen und Skylines der Großstädte vorüberziehen. In den aufgewühlten Gefühls-Landschaften dieser Gedichte tobt ein Extremismus der Leidenschaften.
Der Gedichtband „Heartcore“ (1999) zeigt immer wieder das abgründige Nebeneinander von Eros und Tod, von Liebeswunsch und Mordlust: „ich wünschte du wärst eine / meine die mich zerfetzt wenn / ich sie trete wünschte deine / küsse schmeckten nach senf & / dein atem wär ein gift das mir / die haut verbrennt deine zunge / ein messer das mich leckt ...“
Immer ist hier ein „DJ Ecstasy“ am Werk, der durch die raffinierte Montage ältester Leidenschaftstopoi mit den Reizwörtern und Sarkasmen unserer Medien- und Pop-Kultur dynamisierende Effekte erzielt und eine hoch beschleunigte Poesie entstehen lässt. So ist die „kleine nachtmusik“, die Albert Ostermaier in seinen Gedichten intoniert, ein eigentümlich schriller Sound, der uns durch das Dickicht der Städte und auf die Nachtseiten der Gefühle treibt.
Ostermaiers neueste lyrische Polaroids zeigen Schnappschüsse von der Peripherie der Städte, wo die „Autokinos“ liegen, jene Schnittstellen von Illusion und Wirklichkeit, an denen sich neue Lebensträume bilden. Wenn die Scheinwerferaugen der Autos sich schließen und die Leinwand zu leuchten beginnt, dann ist irgendwann „das leben ein kleiner billiger film den du nicht mehr nachsynchronisieren musst“. (M.B.)

 

 

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Scherbenmorgen“, Prosa, in: „Erste Einsichten“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1990
– „Nicht in Venedig“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1991
– „Herz Vers Sagen“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1995
– „Fremdkörper hautnah“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1997
– „Tatar Titus, Stücke“, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1998
– „The Making Of. Radio Noir. Stücke”, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1999
– „Heartcore“, Gedichte, mit CD, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1999
– „Letzter Aufruf. Erreger“, 2 Stücke, Suhrkamp, Frankfurt a.M., September 2001
– „Autokino“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M., September 2001
– „Es ist Zeit. Abriss/Katakomben“, Suhrkamp, Frankfurt a.M., Frühjahr 2002

Theater:
– „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“, Uraufführung: Marstall Theater/Bayerisches Staatsschauspiel, München 1995, Regie: André Wilms
– „Zuckersüß & Leichenbitter oder: vom Kaffee-satz im zucker-stück“, Uraufführung: Marstall Theater/Bayerisches Staatsschauspiel, München 1997, Regie: Udo Samel
– „The Making Of. Radio Noir“, Uraufführung: Nationaltheater Mannheim 1998, Regie: Christoph Biermeier
– „The Making Of. B.-Movie”, Uraufführung: Bayerisches Staatsschauspiel, Cuvilliés Theater, München 1999, Regie: Wilfried Minks
– „Tatar Titus“, Uraufführung: Nationaltheater Mannheim 1999, Regie: Bruno Klimek
– „Heartcore Theater”, Uraufführung: Bayerisches Staatsschauspiel, Marstall Theater, München 2000, Regie: Christoph Biermeier
– „Death Valley Junction“, Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus, Hamburg 2000, Regie: Nicolas Stemann

Hörspiel:
– „Radio Noir“, CD/Kassette, Der Hörverlag, Hamburg 1999

 

Termin:
Sonntag, 26. August 2001, 14.00 Uhr, Schlossgarten

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