Sherko Fatah


   

Er ist selbst ein Grenzgänger: 1964 im damaligen Ostberlin als Sohn eines Kurden und einer Deutschen geboren, in der DDR aufgewachsen, Flucht mit den Eltern in den Westen, nach der Wende ein Studium der Kunstgeschichte und Philosophie in Berlin. In seinem Erstling verknüpft Sherko Fatah die deutsche Gegenwartsliteratur mit einem anderen territorialen Raum, erweitert ihr Gesichtsfeld. Auf zeichenhaftem Gelände, im karg lokalisierten türkisch-irakischen Niemandsland, in einem archaischen Revier siedelt er seinen Debütroman „Im Grenzland“ an. Ein Gast aus dem fernen Westen Europas, ein Schmuggler auf seiner Tour und dessen von ihm verlassene Frau bilden das Personal auf den ersten Seiten des Buches. Ein Verlust wird am Ort beklagt: Der Sohn des Paares, seit langem verschwunden, ist offiziell als tot gemeldet worden. Der Schmuggler ist, ohne diese Endgültigkeit zu erfahren, wieder aufgebrochen. Er befördert Zigaretten, Alkohol, Laptops und Recorder in das vom internationalen Embargo verriegelte andere Land. Auf seinen Passagen durch die Ebene und durch das Gebirge durchmisst er unzugängliches Gelände. Der Krieg hat sich zurückgezogen, aber er hat eine Erbschaft an Minen und Ruinen hinterlassen. Der Schmuggler muss, um nicht in die Luft zu fliegen, die Landschaft mit ihren winzigen Spuren der Veränderungen erlernen. Er selbst ist ein witterndes Tier, nahe am Boden, die Landschaft erobert er mit dem Tastsinn zurück. Er ist ein Feinhandwerker des Schreckens. An der Oberfläche dieser Prosa, die sich durch ihre Bildkraft, ihre unerbittliche Strenge und durch eine elegante Sicherheit auszeichnet, ereignet sich ein Krimi, der von der Spannungsfrage nach dem Durchkommen lebt. Aber der Schmuggler bewegt sich auch durch eine Zone der Albträume, durch eine Wüste aus Angst, in der Nacht der stellvertretenden Schrecken, durch eigene Abgründe. Er ist ein Reisender im Imaginären. (W.F. Sch)


 

Veröffentlichung:
– „Im Grenzland“, Roman, Jung und Jung, Salzburg, Frühjahr 2001

 

 

Termin:
Samstag, 25. August 2001, 16.30 Uhr, Schlossgarten

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