Steffen Popp
Die Chemie als „Stoffveränderungskunst“, so hat einst der Frühromantiker Friedrich von Hardenberg behauptet, sei die Grundlagenwissenschaft der Dichtung, eine „chemische Musik“ der ideale Resonanzboden für die Seele. Der Berliner Dichter Steffen Popp hat sich von diesem frühromantischen „Elektrochemiebaukasten Friedrich von Hardenbergs“ (so sein Bekenntnis im Essaybuch „Helm aus Phlox“, 2011) inspirieren lassen. In seinem mittlerweile vierten Gedichtband „118“, der in diesem Jahr für den Leipziger Buchpreis nominiert war, hat er tief in diesen romantischen Baukasten hineingegriffen und die 118 bekannten chemischen Elemente zum Ausgangspunkt einer abenteuerlichen Sprachexpedition gemacht. Die Siglen der chemischen Elemente benutzt Popp dabei als Plattform zur sprachmächtigen Erfindung seiner persönlichen Bausteine des Lebens. Sein Periodensystem beginnt aber nicht mit „H“, dem Wasserstoff, sondern mit „Fe“, das bei Popp nicht als Eisen (Ferrum), sondern als „Fenster“ interpretiert wird. Popp verwandelt das Fenster in seiner Art der geschmeidigen Engführung der Gegensätze in einen magischen Punkt gesteigerter Wahrnehmung. Das Hören, Tasten, Schmecken feinster Partikel wird zu einem Fest der Sinne: „Klirren, mikrofein, subarktisch / stehen am Eisblumenfenster wie Riesen / gekörnt in die Silber Iltis Sternstäubchen / Schwebe des Zimmers.“ Weitere Elemente Popps sind der „Blüthenstaub“ des Novalis, der „Wunderblock“ Sigmund Freuds, auch einige Tiere („Elefant“ und „Giraffe“), nicht zuletzt die „Eulenuhr“, die dem Wappentier des Dichters nachgebildet ist.
Steffen Popp wurde 1978 in Greifswald geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Dresden, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und später Literaturwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin. Zur Zeit arbeitet er an einer Dissertation über „Poesie als Lebensform“. In seinen neuen Gedichten, sämtlich Zehnzeiler, wechseln Bilder der Erhabenheit mit eher saloppen, lässigen Fügungen, Pathos und Kalauer befeuern sich gegenseitig. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Kranichsteiner Literaturförderpreis (2004), Förderpreis zum Heimrad-Bäcker-Preis (2006), Rauriser Literaturpreis (2007), Förderpreis zum Kunstpreis Berlin (2010), Leonce-und-Lena-Preis, Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie, Kelag-Preis (2011), Casa Baldi-Stipendium der Deutschen Akademie Rom (2012), Peter-Huchel-Preis (2014), Stipendium Villa Massimo, Rom, Mondseer Lyrikpreis (2015).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Wie Alpen“, Gedichte, kookbooks, Idstein/Berlin 2004
– „Ohrenberg oder der Weg dorthin“, Roman, kookbooks, Idstein/Berlin 2006
– „Kolonie Zur Sonne“, Gedichte, kookbooks, Idstein/Berlin 2008
– „Helm aus Phlox. Zur Theorie des schlechtesten Werkzeugs“, zus. mit A. Cotten, D. Falb, H. Jackson und M. Rinck, Merve, Berlin 2011
– „Dickicht mit Reden und Augen“, Gedichte, kookbooks, Idstein/Berlin 2013
– „Spitzen. Die besten deutschsprachigen Gedichte“, Hrsg., Suhrkamp, Berlin 2017
– „118“, Gedichte, kookbooks, Berlin 2017
So, 27.8., 14 Uhr, Schlossgarten