37. Erlanger Poetenfest — 24. bis 27. August 2017
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

« zurück

Theresia Enzensberger

Im Jahr 1926 fährt Luise Schilling die kurze Strecke von Berlin nach Dessau. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, am Bauhaus Architektur zu studieren. Walter Gropius, der die Kunstschule 1919 gründete, ist ihr Mentor. Dass Luise doch bei den verhassten Webstühlen und den anderen Studentinnen landet, hat viel mit den damaligen realen Zuständen zu tun. Frauen als Architektinnen waren die absolute Ausnahme. Theresia Enzensberger erzählt in ihrem ersten Roman „Blaupause“ eine Emanzipations- und Zeitgeschichte, eine private Geschichte des Bauhauses und seiner sektiererischen Strukturen. Sie verknüpft das Bild von den Lehrern, wie dem Mystiker Johannes Itten, mit einer Schilderung der reformerischen Ideen, die das frühe Bauhaus prägte. Gestaltung und Lebensstil sollten sich ergänzen. Man trug mönchische Kleidung und ernährte sich vegetarisch. Theresia Enzensberger zeigt die männlich dominierte Welt durch Luise Schillings Augen. Luise braucht lange, bis sie versteht, dass die Clique um Johannes Itten nicht durch künstlerisches Können, sondern durch homoerotische Vorlieben für sie off-limits ist. Sie erfährt, was Konkurrenz bedeutet und lernt, dass Schüler und Lehrer in einem ausbeuterischen Verhältnis leben. Luise wird als starke junge Frau geschildert, die mit aller Energie Architektin werden will. In der Schule und im Elternhaus muss sie sich gegen Unverständnis durchsetzen. Dass der Vater sie vom Bauhaus zurück an eine Berliner Hausfrauen-Schule beordert, mag uns lustig vorkommen. War aber bittere Realität. Im Anhang erfahren wir, dass Luise Schilling in die USA auswandern und dort als Architektin arbeiten wird. „Blaupause“ ist die Schilderung einer der größten Reformbewegungen im 20. Jahrhundert, erzählt als persönliche Bilanz. Marcel Breuers Stühle stehen achtlos im Raum und Paul Klee und Wassily Kandinsky laufen ein paar Mal durchs Bild. Die Anfälligkeit der Jugend für die Thesen charismatischer Lehrer wird am Verführer Johannes Itten gezeigt. Dem großen Architekten Walter Gropius gibt Theresia Enzensberger eine ziemlich schäbige Rolle, und das Bauhaus wird als das dargestellt, was es auch gewesen ist: eine Bühne für machtbewusste Männer. (V. A.)

Veröffentlichungen:
– „Blaupause“, Roman, Hanser, München 2017

Sa, 26.8., 15:30 Uhr, Schlossgarten

« zurück