Silke Scheuermann
Es ist (unglaubliche) fünfzehn Jahre her, dass die damals 28 Jahre alte Silke Scheuermann mit dem Gedichtband „Der Tag, an dem die Möwen zweistimmig sangen“ unser Herz und unseren Verstand berührte. Als Lyrikerin und großes Talent trat sie auf vielen Bühnen auf. Dann entstanden Romane und neue Lyrikbände und jetzt hat Silke Scheuermann, die in Karlsruhe aufwuchs und in Frankfurt am Main lebt, einen umfangreichen Roman über Marten, einen jungen Mann geschrieben, der ein Leben führt, wie es sich niemand wünscht. Martens Mutter trinkt, und der neue Roman „Wovon wir lebten“ beginnt mit einer Szene am Bahndamm, die schlimm genug ist, einem Kind das Leben für immer zu verderben. Aber Marten liebt seine Mutter, auch wenn ihm ihre Kleidung, ihre Alkoholfahne und ihr Benehmen vor fremden Jungs peinlich ist, verleugnet Marten sie nicht. Er hat Mut und Kraft.
Silke Scheuermann folgt dem Kind Marten bis ins Erwachsenenalter. Sie blickt mit ihm in eine Welt der Brutalität, der verlässlichen und gefährlichen Freundschaften, auf einen schrecklichen Vater, die labile Mutter, ins Drogenmilieu und in Gefängniszellen.
Marten entdeckt ein Kochbuch und ein Hobby und steigert seine Begeisterung fürs Kochen zu einer Meisterschaft. Gegen alle Widerstände eröffnet er mit zwei Freunden ein Lokal und es gelingt, das „Happy Rabbit“ vom ersten Tag zum Stadtgespräch zu machen.
Realistisch aufgeladen erzählt Silke Scheuermann von einem traumhaften Aufstieg, von Freundschaften und von der Vergangenheit, die immer Teil der Gegenwart bleibt. Marten vergisst nicht, wo er herkommt, was ihn geprägt hat. Er wird enttäuscht und betrogen, er ist verzweifelt und ratlos, und Silke Scheuermann gibt ihrem Ich-Erzähler die Kraft, das durchzustehen und zu erkennen, dass er allen Grund hat, dankbar zu sein. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Leonce-und-Lena-Preis (2001), Literaturstipendium der Villa Aurora Los Angeles, Stipendium der Kunst- und Kulturstiftung Baden-Württemberg (2004), Hermann-Hesse-Literatur-Förderpreis, New York-Stipendium des Deutschen Literaturfonds (2006), Grimmelshausen-Förderpreis (2007), Stipendium der Villa Massimo, Rom, Droste-Förderpreis der Stadt Meersburg (2009), Poetikdozentur Wiesbaden (2012/13), Stipendium Internationales Künstlerhaus Villa Concordia Bamberg (2013/14), Bertolt-Brecht-Preis, Robert Gernhardt Preis (2016).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der Tag, an dem die Möwen zweistimmig sangen“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2001
– „Der zärtlichste Punkt im All“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2004
– „Reiche Mädchen“, Erzählungen, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2005
– „Jahrbuch der Lyrik“, Hrsg. zus. mit C. Buchwald, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2007
– „Die Stunde zwischen Hund und Wolf“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2007
– „Über Nacht ist es Winter“, Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a. M., 2007
– „Shanghai Performance“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2011
– „Die Häuser der anderen“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2012
– „Skizze vom Gras“, Gedichte, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2014
– „Und ich fragte den Vogel. Lyrische Momente“, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2015
– „Traumdiebstähle“, Erzählung, Fotografien von A. P. Englert, Ed. Faust, Frankfurt a. M. 2016
– „Wovon wir lebten“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M., September 2016
Do, 25.8., 20 Uhr, Markgrafentheater und So, 28.8., 13:30 Uhr, Schlossgarten