Sharon Dodua Otoo
Eine Frau, deren Eltern aus Ghanas Hauptstadt Accra stammen, eine Frau, die 1972 in London geboren wurde, dort lebte und studierte, bis sie im Alter von 34 Jahren nach Berlin zog und jetzt zum ersten Mal einen Text in deutscher Sprache verfasste, gewinnt den Ingeborg-Bachmann-Preis 2016. Eine Sensation.
Der preisgekrönte Text „Herr Gröttrup setzt sich hin“ ist nicht nur die gekonnte Beschreibung deutscher Pünktlichkeit am Beispiel eines auf die Sekunde gekochten Frühstückseis, es ist eine psychologisch gewitzte, fein gesetzte Persiflage auf die etablierte Ehe, in diesem Fall die des Ingenieurs und Raketenforscher Helmut Gröttrup. Der Text ist raffiniert vieldeutig und witzig, das ist Sharon Dodua Otoos Technik, um ihren Beobachtungen freien und möglichst offenen Raum zu geben. Sie, die Mutter von vier Söhnen, ist eine politisch aktive Frau, die in Deutschland gegen den Rassismus eintritt und für das Selbstbewusstsein von Farbigen kämpft.
Es sind Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die ihre Mission und ihre Literatur auszeichnen. In der 2012 erschienenen und noch aus dem Englischen übersetzten Novelle mit dem Titel „die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle ...“ wird nicht nur das ganz normale Scheitern einer Ehe zwischen einer Afrikanerin und einem deutschen Mann, die Probleme mit den heranwachsenden Kindern und ihren Lehrern beschrieben, sondern immer eine zweite Ebene eingezogen, die Ebene der Fremden, die aus einer anderen Kultur kommt und mit einer anderen Sprache, mit anderen Gewohnheiten und Ritualen ausgestattet ist. Sharon Dodua Otoo wird als Botschafterin gegen den Rassismus durch ihr charmantes Auftreten und durch ihre raffiniert vielseitige Literatur hoffentlich sehr viel erreichen können. (V. A.)
Wie sehr ein deutscher Text davon profitiert, nicht in der Muttersprache geschrieben zu sein, zeigt Sharon Dodua Otoos „Herr Gröttrup setzt sich hin“. Wenn „das“ Erzähler/in sich wahlweise mit einem Lippenstift, einem Erdbeben oder einem Frühstücksei identifiziert, klingt darin nicht nur das englische „Ich“, sondern auch das beobachtende „Auge“ an, ein renitenter „Wechselbalg der Reinkarnation“ (Meike Feßmann), der sich weigert, hart und deutsch zu werden. Otoo engagiert sich für eine diskriminierungsfreie Sprache: „Wir Autor_innen könnten viel mutiger sein (...): Wir könnten mehrere Sprachen in einem Roman verwenden, versuchen, in der Literatur sprachliche Grenzen aufzubrechen.“ (A. LS.)
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „the things i am thinking while smiling politely“, Novelle, ed. assemblage, Münster 2012
– „die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle ...“, Novelle, übers. von M. Nuenning, ed. assemblage, Münster 2013
– „Synchronicity“, Novelle, übers. von M. Nuenning, Illustr. von S. Ngoumou, ed. assemblage, Münster 2014
– „Synchronicity. The Original Story“, Novelle, ed. assemblage, Münster 2015
Fr, 26.8., 12 Uhr, Markgrafentheater, Bühnenhaus und Sa, 27.8.,17 Uhr, Schlossgarten
Website:
www.about.me/sharonotoo