36. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2016
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Eberhard Rathgeb

Was ist das Unheimliche? Wann begegnet es uns und wie begegnen wir ihm? Eberhard Rathgebs dritter Roman ist ein starkes und kluges Buch. Es beginnt wie ein Bilderbuch. Eine Familie – Lisa, Jakob und ihre beiden Töchter – fahren aufs Land. Sie haben ein Wochenendhaus gekauft, wollen es den Kindern zeigen und selbst in Besitz nehmen. Unterwegs müssen sie tanken, finden aber keinen Tankwart. Die Kinder laufen über die Wiese, sehen eine schwarze Katze, Jakob begegnet auf der Suche nach dem Kassierer einem merkwürdigen Jungen, der mit einer Wassermelone nach ihm wirft. Über das Bild des normalen Ausflugs legen sich erste Schatten. Sie erreichen das Häuschen, das allein auf einer Wiese in der Nähe des Waldes steht. Nachts werden sie zelten und die Geräusche der Natur werden sie ängstigen. Der nächste Morgen ist klar und schön, die Kinder gehen mit ihrem Vater zum See, die Mutter putzt im Haus die Fenster, bis sie entdeckt, dass jemand auf der anderen Seite des Fensters die Konturen ihres Armes nachzeichnet. Es dauert eine Weile, bis sie wahrnimmt, was sie sieht, ihr Schrei ist ein „gurgelndes Würgen“. Das Unheimliche, Unerwünschte, Unerklärliche hat von Lisa Besitz ergriffen und wird das Schicksal der kleinen Familie bestimmen. Es werden entsetzliche Dinge passieren, und der Schrecken und die Trauer werden zum Alltag werden, denn Eberhard Rathgeb, der 1959 in Buenos Aires geboren wurde und lange Jahre Redakteur der FAZ gewesen ist, bis er begann, Romane zu schreiben, interessiert sich für die Macht des Zufalls. Rathgeb dramatisiert und inszeniert das Unheimliche und entdramatisiert gleichzeitig das Schreckliche. „Cooper“, die Titelfigur des Buches, die erst spät im Roman auftaucht, verkörpert das Stabile, er ist wie die Bäume, ihn erschüttern nicht die Sensationen des Alltags. Er steht darüber. „Cooper“ ist ein Buch über die Angst in uns und über den Schrecken. Es ist ein beeindruckendes Buch der klugen Einsichten. Eine literarisch gefasste kleine Philosophie über Leben und Sterben. (V. A.)

Auszeichnung: aspekte-Literaturpreis (2013).

Veröffentlichungen (Auswahl):

– „Inventur. Deutsches Lesebuch 1945–2003“, zus. mit N. Niemann, Hanser, München 2003
– „Die engagierte Nation. Deutsche Debatten 1945–2005“, Hanser, München 2005
– „Schwieriges Glück. Versuch über die Vaterliebe“, Hanser, München 2007
– „Wir haben es satt! Warum Tiere keine Lebensmittel sind“, Hrsg. zus. mit I. Radisch, Residenz, St. Pölten 2011
– „Kein Paar wie wir“, Roman, Hanser, München 2013
– „Das Paradiesghetto“, Roman, Hanser, München 2014
– „Am Anfang war Heimat. Geschichte eines deutschen Gefühls“, Blessing, München 2016
– „Cooper“, Roman, Hanser, München 2016

So, 28.8., 16:30 Uhr, Schlossgarten

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