36. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2016
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Shida Bazyar

In ein und derselben Familie erleben nicht alle ein und dasselbe – im Gegenteil. Oft scheinen Eltern und Kinder in komplett verschiedenen Welten beheimatet zu sein und sich kaum zu kennen. Mit einem starken Gespür für die Vielfalt von inneren und äußeren Nöten und die Reaktionsweisen darauf, schildert Shida Bazyar in ihrem Debüt „Nachts ist es leise in Teheran“, wie ein kommunistischer Jungrevolutionär 1979 den Sturz des Schahs erlebt, sich einen Moment lang in der Hoffnung auf Veränderungen wiegt, dann aber ins Visier der neuen Machthaber gerät und acht Jahre später mit seiner Familie den Iran verlassen muss. 1989 setzt der zweite Erzählstrang ein. Nun ergreift seine Frau Nahid das Wort, die sich über die burschikosen Gepflogenheiten in der Bundesrepublik wundert und traurig beobachtet, wie ihr Mann sein kämpferisches Wesen verliert. Wieder einen anderen Blick hat ihre in Deutschland sozialisierte Tochter Laleh, die dritte Ich-Erzählerin des Romans, die 1999 mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester in den Iran zurückkehrt und fasziniert ist von der vertrauten Fremde. Zehn Jahre später ergreift ihr Bruder Morad das Wort und setzt ganz andere Akzente, ergänzt durch eine Schlusskadenz aus der Perspektive der jüngsten Schwester. Shida Bazyar wurde 1988 im rheinland-pfälzischen Hermeskeil geboren, kennt aber die Schwierigkeiten der Anpassung aus ihrem Elternhaus. Sie erzählt von Dingen, die hunderttausende Neuankömmlinge in Deutschland betreffen. Was es heißt, seiner Identität beraubt zu werden und fremd zu sein, ist Thema dieses hochsensiblen Familienporträts. Zeitgemäßer kann ein Stoff nicht sein. (M. A.)

Auszeichnungen u. a.: Kulturförderpreis der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, Ulla-Hahn-Autorenpreis (2016).

Veröffentlichung:

– „Nachts ist es leise in Teheran“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016

Sa, 27.8., 18 Uhr, Schlossgarten

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