36. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2016
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Kurt Drawert

In seinem lyrischen Erstling „Zweite Inventur“ (1987) hatte der Schriftsteller Kurt Drawert den Sprachzweifel als den Ausgangspunkt seines Schreibens benannt: „Die Worte gehörten mir nicht, / kalt lagen sie unter der Zunge als / nicht gemachte Erfahrung, Formulierungen, / die zu klein waren für die Ideen / und dahintrieben wie bauschige Wolken …“ Diese Skepsis gegenüber den Wörtern, das Grundgefühl, ins Verstummen getrieben und damit ausgeschlossen zu sein, ist die innere Tätowierung, die seither der Literatur dieses Autors eingeschrieben ist. 1956 in Henningsdorf (Brandenburg) geboren, hat sich Drawert nach seinem Studium am Literaturinstitut in Leipzig zu einem veritablen Poeta doctus entwickelt, der in seinen Büchern immer auch die Möglichkeit des poetischen Sprechens reflektiert. Sein Roman „Spiegelland“ (1992) handelt von den Traumatisierungen, die dem Jugendlichen widerfuhren, als er von seinem Vater in die Dunkelheit des Kellers gesperrt wurde. Drawerts ganze schriftstellerische Existenz scheint darauf gerichtet zu sein, aus dieser Zwangsalphabetisierung herauszutreten.
In seinem gerade erschienenen lyrischen Hauptwerk, dem in fünf große Kapitel ausschwingenden Langgedicht „Der Körper meiner Zeit“, nimmt Drawert nun die Verwerfungen der Gegenwart in den Blick und verknüpft sie mit den großen Themen der Poesie: dem Begehren, der Liebe, dem Nichts und dem Tod. Es ist eine faszinierende Sprachbewegung – mit seinem ruhigen, fließenden und dann wieder stockenden Rhythmus zwischen Elegie, Sarkasmus, Pathos und Lakonie. Einige Monate vor seinem Tod hat sich Fritz J. Raddatz enthusiastisch zu diesem Poem geäußert: Drawert habe in „brennenden Bildern“ das „Elend der Suche nach Glück“ beschrieben: „ein großer Gesang von der Bitterkeit des Dunklen, in dem wir selbst in vermeintlich hellen Stunden versinken“. (M. B.)

Auszeichnungen u. a.: Leonce-und-Lena-Preis (1989), Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung (1991), Lyrikpreis Meran, Ingeborg-Bachmann-Preis (1993), Uwe-Johnson-Preis (1994), Stipendium Villa Massimo, Rom (1995/96), Nikolaus-Lenau-Preis (1997), Arno-Schmidt-Stipendium (2000/01), Otto-Braun-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung, Weimar (2001), Rainer-Malkowski-Preis (2008), Robert-Gernhardt-Preis (2014).

Veröffentlichungen (Auswahl):

– „Zweite Inventur“, Gedichte, Aufbau, Berlin 1987
– „Privateigentum“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1989
– „Spiegelland. Ein deutscher Monolog“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992
– „Haus ohne Menschen. Zeitmitschriften“, Essays, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1993
– „Fraktur“, Lyrik, Prosa, Essay, Reclam, Leipzig 1994
– „Alles ist einfach. Stück in sieben Szenen“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1995
– „Wo es war“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1996
– „Steinzeit. Lustspiel“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1998
– „Rückseiten der Herrlichkeit. Texte und Kontexte“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2001
– „Frühjahrskollektion“, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2002
– „Emma. Ein Weg“, Sonderzahl, Wien 2005
– „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“, Roman, C. H. Beck, München 2008
– „Idylle, rückwärts. Gedichte aus drei Jahrzehnten“, C. H. Beck, München 2011
– „Provokationen der Stille. Kritiken und Essays zur Literatur 1994–2011“, Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 2012
– „Schreiben. Vom Leben der Texte“, C. H. Beck, München 2012
– „Prag ist eine Erfindung Kafkas. Kritiken und Essays 1990–2014“, Luxbooks, Wiesbaden 2014
– „Was gewesen sein wird. Essays 2004 bis 2014“, C. H. Beck, München 2015
– „Das Gegenteil von gar nichts / Hiçbir seyin tersi“, Theaterstück, Luxbooks, Wiesbaden 2015
– „Der Körper meiner Zeit“, Gedicht, C. H. Beck, München 2016

So, 28.8., 14:30 Uhr, Schlossgarten

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Website:
www.kurtdrawert.de