Veranstaltung
Die Revue der Neuerscheinungen I
Lesungen und Gespräche mit Tilman Rammstedt, Joshua Groß, Katja Lange-Müller, Ulrike Almut-Sandig, Gerhard Falkner, Emma Braslavsky, Sharon Dodua Otoo, José F. Alexander, Shida Bazyar und Arnold Stadler
14:00 Uhr Tilman Rammstedt
Morgen mehr. Roman. Hanser. München, Jul 2016
14:30 Uhr Joshua Groß
Faunenschnitt. Roman. Fotografien: Hannah Gebauer. starfruit publications. Fürth, Mai 2016
15:00 Uhr Katja Lange-Müller
Drehtür. Roman. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 11. Aug 2016
15:30 Uhr Ulrike Almut-Sandig
ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt. Neue Gedichte. Schöffling & Co. Frankfurt a. M., 2. Aug 2016
16:00 Uhr Gerhard Falkner
Apollokalypse. Roman. Berlin Verlag. 1. Sep 2016
16:30 Uhr Emma Braslavsky
Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen. Roman. Suhrkamp. Berlin, 12. Sep 2016
17:00 Uhr Sharon Dodua Otoo
Herr Gröttrup setzt sich hin – Ingeborg-Bachmann-Preis 2016 (40. Tage der deutschsprachigen Literatur Klagenfurt 2016)
17:30 Uhr José F. Alexander
21 Gedichte aus Istanbul. 4 Briefe & 10 Fotow:orte. Matthes & Seitz. Berlin, Apr 2016
18:00 Uhr Shida Bazyar
Nachts ist es leise in Teheran. Roman. Kiepenheuer & Witsch. Köln, Feb 2016
18:30 Uhr Arnold Stadler
Rauschzeit. Roman. S. Fischer. Frankfurt a. M., 25. Aug 2016
Moderation Hauptpodium: Hajo Steinert
Hauptpodium Schlossgarten:
FM-Anlage für Schwerhörige – Ausleihe an der Information
Hauptpodium Redoutensaal (bei Regen):
Induktionsschleife für Schwerhörige
Fremde Seelen, dunkle Wälder und weite Wege
Sie stammen ursprünglich aus dem Iran, Irak, aus England, Andalusien, den Niederlanden, Österreich oder Franken, leben auf dem Land oder in der großen Stadt, schreiben Familien- oder Fluchtgeschichten, Liebeslyrik oder Großstadtszenarien. Sie erzählen von ihren Erinnerungen oder beschwören herauf, was heute, in Tagen des Aufruhrs, Tagen einer immer stärker werdenden Verunsicherung um uns herum und in unserem Innern passiert oder passieren könnte. Doch was alle Autorinnen und Autoren, die an diesem Wochenende mit neuen Büchern nach Erlangen kommen, miteinander verbindet, ist das Bemühen, uns mit Geschriebenem, Ausgedachtem, Erlebtem, Recherchiertem wachzurütteln, abzulenken, aufzuklären. Schriftsteller und Schriftstellerinnen der Zeit blicken hinter die Kulissen der Nachrichtenwelt und werfen sich und uns zugleich aus der Bahn. Sie widersprechen mit ihren literarischen Fiktionen unserem Alltag der Gleichgültigkeit, der Gewalt, des Krachs und des Terrors. Schriftsteller der Zeit haben Verantwortung übernommen.
Shida Bazyar legt ein dichtes, zartes und mitreißendes Familienmosaik und einen hochaktuellen Roman über Unterdrückung, Widerstand und den unbedingten Wunsch nach Freiheit vor. Soeben wurde ihr für „Nachts ist es leise in Teheran“ der Ulla-Hahn-Preis zugesprochen. Eine aufrüttelnde Familiengeschichte zwischen Revolution, Flucht und deutscher Gegenwart (Sa, 18 Uhr).
In die Vergangenheit von Terror, Angst und Bedrohung geht auch Abbas Khider in seinem Roman „Ohrfeige“. Ein Flüchtling betritt hier die Ausländerbehörde, um ein letztes Mal seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen. Er ist wütend und hat nur einen Wunsch: dass ihm endlich jemand zuhört. Als Karim drei Jahre zuvor von der Ladefläche eines Transporters ins Freie sprang, glaubte er noch in Frankreich zu sein (So, 16 Uhr).
In „Fremde Seele, dunkler Wald“, Reinhard Kaiser-Mühleckers neuem Roman, kehrt Alexander von einem Auslandseinsatz als Soldat in die Heimat zurück. Seine Unruhe treibt ihn bald wieder fort. Sein jüngerer Bruder Jakob führt unterdessen den elterlichen Hof. Als sich sein Freund aufhängt, wird Jakob die Schuldgefühle nicht mehr los. Es ist die zeitlose und berührende Geschichte von zwei Menschen, die nach Rettung suchen (So, 14 Uhr).
„Binde zwei Vögel zusammen“ heißt der Roman von Isabelle Lehn. Darin gibt es einen Aladdin. Aladdin heißt eigentlich Albert und ist Statist in einem bayerischen Trainingscamp für Afghanistan-Soldaten. Aber ist Albert nicht eigentlich doch Aladdin? Albert wird sich immer unsicherer und schon bald ist nicht mehr klar, was Spiel ist und was Ernst – die afghanische Ehefrau, die Blendgranaten, der Sack über dem Kopf? (So, 15 Uhr)
Gerhard Falkners „Apollokalypse“ ist ein Epochenroman über die 80er-Jahre. Ein Jahrzehnt, in dem die Spuren der Roten Armee Fraktion noch nicht verwischt sind. Die Hauptrolle spielt die Stadt Berlin, haufenweise gehen Künstlerexistenzen an ihrer magischen Gestalt in die Brüche. Und wenn die RAF sich über den BND mit der Stasi berührt, gerät die Zeitgeschichte unter das Messer der Psychiatrie (Sa, 16 Uhr).
Katharina Winkler erzählt in ihrem Debütroman „Blauschmuck“ von Filiz. Sie wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei auf. Sie ist zwölf, als sie sich in den um wenige Jahre älteren Yunus verliebt und mit ihm von einem gemeinsamen Leben im Westen träumt. Mit fünfzehn heiratet sie Yunus – heimlich und gegen den Willen ihres Vaters. Doch mit der Hochzeit platzen auch die Träume von Freiheit und Autonomie: Statt Jeans trägt Filiz jetzt Burka. Gemeinsam mit ihren drei Kindern ist sie der körperlichen und seelischen Brutalität ihres Mannes ausgesetzt (So, 15:30 Uhr).
In Katja Lange-Müllers Roman „Drehtür“ ist Asta nach 22 Jahren im Dienst internationaler Hilfsorganisationen am Münchner Flughafen gestrandet. Von den Kollegen weggemobbt aus der Krankenstation in Nicaragua, steht sie neben einer Drehtür und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Einigermaßen wohl fühlt sie sich nur, wenn sie gebraucht wird. Die Erzählerin taucht immer tiefer in ein höchst aktuelles und existenzielles Thema ein: das Helfen und seine Risiken (Sa, 15 Uhr).
In „Morgen mehr“ geht Tilman Rammstedt zurück in den Sommer 1972. Die männliche Hauptfigur vermisst all das, was es noch nicht gibt: Navigationssysteme, Glutenintoleranz, die Nostalgie nach klareren Zeiten. Er vermisst seine Frau, die er noch nicht hat, seine Kinder, die es noch nicht gibt. Er beschließt, die Uhr nach vorne zu drehen. Was für eine verdrehte Zeitreise! (Sa, 14 Uhr)
„Faunenschnitt“ ist der dritte Roman von Joshua Groß. Er spielt im hochsommerlichen österreichischen Salzkammergut und handelt von einem ausgeraubten Verleger und einem jungen Autor, von einer bissigen Muräne und der psychiatrischen Behandlung Thomas Middelhoffs, von Freundschaft, Liebe und Paranoia, von der Sinnsuche eines jungen Menschen in einer gewaltgeprägten Welt (Sa, 14:30 Uhr).
In „Cooper“ von Eberhard Rathgeb fährt eine junge Familie in das neue Wochenendhaus auf dem Land. Doch wer ist dieser böse, abweisende Junge an der einsamen Tankstelle? Was geschieht, als die Mutter Lisa plötzlich den schwarzen Schatten im Rücken spürt? Was wird aus ihrem Mann Jakob und den beiden Töchtern? Der schlimmste Angriff des Schicksals steht ihnen bevor. Und den Besuchern des Poetenfests eine gehörige Portion Spannung (So, 16:30 Uhr).
Sylvia Plath und Ted Hughes sind die Hauptfiguren in Connie Palmens Roman „Du sagst es“. Sie bilden das berühmteste Liebespaar der modernen Literatur. Palmen lässt Hughes auf seine leidenschaftliche Ehe zurückblicken, die 1963 mit dem Suizid seiner Frau endet. Mit Zurückhaltung und Scharfsinn erzählt Palmen von seinen Gedanken, Ängsten und Beschwörungen und der tieftragischen Beziehung zu der Frau, die sein Leben bestimmte (So, 17 Uhr).
Einen Liebesreigen, eine Taugenichts-Geschichte des 21. Jahrhunderts erzählt Teresa Präauer. Wie kann einer sich bloß derart zum Affen machen, beim Zappen durchs Fernsehprogramm und auf seinen Wegen durch die Bars und Nagelstudios der Großstadt? Ständig auf der Suche nach der nächsten Liebe, meistens im falschen Moment unterbrochen von Handy-Anrufen seiner Mutter. „Oh Schimmi“ will man da rufen! (So, 18 Uhr)
Ein Paar im besten Alter lernen wir bei Emma Braslavsky kennen: Jo, eine selbstsüchtige Enddreißigerin, zelebriert die schillernde Fassade einer Möchtegern-Weltverbesserin und lebt vom Geld ihres Mannes; Jivan, ein latent chauvinistischer Mittvierziger, heuchelt den Feministinnen, manipuliert seine Frau nach Belieben und wird dabei selbst Opfer seiner feigen Selbsttäuschungen. „Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen“ erzählt die packende Geschichte unserer Suche nach Erkenntnis und Wahrhaftigkeit (Sa, 16:30 Uhr).
Von absurdem philosophischem Zuschnitt zeugt Sharon Dodua Otoos Prosafragment „Herr Gröttrup setzt sich hin“. Einer Tradition des Poetenfests folgend, wurde die in England akademisch ausgebildete, heute in Berlin lebende Autorin ghanaischer Herkunft nach dem Gewinn des Ingeborg-Bachmann-Preises eingeladen. Im Mittelpunkt steht ein spießiges Rentnerpaar. Nichts kann seine bürgerliche Ordnung stören. Bis eines Tages ein sprechendes Frühstücksei alles durcheinander bringt (Sa, 17 Uhr).
Große Erwartungen an das Leben hat Marten nicht, Hauptfigur in Silke Scheuermanns Roman „Wovon wir lebten“. Er wächst in einem Umfeld auf, das von illegalen Geschäften, Gewalt und Sex beherrscht wird. Beim Drogenentzug trifft er Peter, einen ehemaligen Restaurant- und Clubbesitzer. Als die beiden gemeinsam ein Edellokal eröffnen, kommt es zu einem Wiedersehen mit Martens Jugendliebe (So, 13:30 Uhr).
Unerwartetes in Sachen Liebe geschieht auch in Arnold Stadlers lange erwartetem Roman „Rauschzeit“. 1983 haben Alain, Mausi und die anderen einen herrlichen Sommer der Liebe und Freiheit an der französischen Atlantikküste verbracht, den keiner von ihnen vergessen hat. Aber was hat die Zeit seitdem aus ihnen gemacht? Justus und Inge sind Spießer geworden, Norbert ist an Aids gestorben, Toby spurlos verschwunden. Mehr als zwanzig Jahre danach begegnet Alain seiner großen Liebe wieder, Mausi verliebt sich in einen blonden Dänen und das Publikum lauscht gespannt (Sa, 18:30 Uhr).
In die neuen Gedichte von Ulrike Almut Sandig haben sich die Erschütterungen der Gegenwart eingeschrieben: die großen Migrationsbewegungen, die im vermeintlichen „Schlauraffenland“ Deutschland auf Staunen, Unbehagen und Xenophobie treffen; die falschen Suggestionen rechtspopulistischer Bewegungen und die fortdauernde Barbarei von Tortur und Folter. In „ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt“ werden die Verheißungen der Kinderlieder und Märchenstoffe mit den Schrecken der Gegenwart konfrontiert – daraus entspringt eine unruhige, aufregende Poesie (Sa, 15:30 Uhr).
Der lyrische Wortschatzgräber und poetische „Fahrtenschreiber“ José F. A. Oliver hat im Rahmen eines Stipendiums Istanbul besucht und in seinem neuen Buch in Kurz- und Langgedichten, atemlosen Protokollen, Briefen und Fotografien die Vielgestaltigkeit der Metropole dokumentiert. Die unmittelbare sinnliche Anschauung ist das Fundament seiner poetischen Einbildungskraft, mit seiner bildreich tastenden Sprache erkundet er die Poesie fremder Orte (Sa, 17:30 Uhr).
In seinem gerade erschienenen lyrischen Hauptwerk, dem in fünf große Kapitel ausschwingenden Langgedicht „Der Körper meiner Zeit“, nimmt Kurt Drawert die Verwerfungen der Gegenwart in den Blick und verknüpft sie mit den großen Themen der Poesie: dem Begehren, der Liebe, dem Nichts und dem Tod. Es ist eine faszinierende Sprachbewegung – mit seinem ruhigen, fließenden und dann wieder stockenden Rhythmus zwischen Elegie, Sarkasmus, Pathos und Lakonie (So, 14:30 Uhr).
In ihrem neuen Gedichtbuch „Anstelle einer Unterwerfung“ erzählt die junge Dichterin Mara-Daria Cojocaru Geschichten von der bedrohten Schöpfung und den Konflikten zwischen Menschen und Tieren, lyrische Fabeln und Parabeln von der gefährdeten Kreatur. Die „Natur der Dinge“, so zeigen ihre Gedichte, ist stets der Selbstzerstörungswut der Menschen ausgesetzt (So, 17:30 Uhr).
Hajo Steinert (Prosa) / Michael Braun (Lyrik)
Samstag, 27. August, 14:00 bis 19:30 Uhr, Schlossgarten, Hauptpodium
Eintritt frei!