36. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2016
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Das tragische Porträt eines jungen Europäers
Wilfried F. Schoeller: Franz Marc

Verena Auffermann im Gespräch mit Wilfried F. Schoeller

Die Leichtigkeit Wilfried F. Schoellers wird jeden, der ihn kennt, begeistern, aber niemand über seine Ernsthaftigkeit hinwegtäuschen. Wilfried F. Schoeller ist der politisch interessierte und engagierte Moderator, und er ist der Literaturwissenschaftler, der sich seit seiner Dissertation 1968 über den Schriftsteller Heinrich Mann der Ergründung des vielfältigen 20. Jahrhunderts verschrieben hat. Er verbrachte sein Berufsleben im Hessischen Rundfunk als Fernsehredakteur und Leiter der Abteilung „Aktuelle Kultur und Musik“. Seit er im „Ruhestand“ ist, forscht er intensiv über Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. 2011 erschien seine epochale Biografie über den komplexen Schriftsteller und Psychiater Alfred Döblin, Autor von „Berlin Alexanderplatz“. Vor Schoeller hatte sich niemand so umfassend an die Erforschung dieses schwer zu bewältigenden Kolosses herangewagt. Welche Fragen kann Franz Marc Wilfried F. Schoeller beantworten, die Heinrich Mann und Döblin, der Marc schätzte, unbeantwortet ließen?

Franz Marc, neben Wassily Kandinsky einer der bedeutendsten Maler des Expressionismus und 1911 Mitbegründer der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Franz Marc, Sohn aus einer bayerischen Beamtenfamilie, beeinflusst von der Gedankenwelt Nietzsches, den Bildwelten Gauguins und van Goghs. Wilfried F. Schoeller ist in seinem umfassenden Buch nicht nur der Biografie, dem Elternhaus, dessen religiöser Prägung, seinem zögernden Weg zur Kunst, den Auswirkungen der Nietzsche-Lektüre, Marcs Verhältnis zu den Frauen nachgegangen. Er wollte wissen, was es mit dieser allgemeinen deutschen Begeisterung für Franz Marc eigentlich auf sich hat und welche Legenden sein Werk verstellen. Franz Marc waren wenige produktive Jahre vergönnt, um den Aufbruch, die tiefgreifende Veränderung des Lebensstils, die neue moralische Schrankenlosigkeit und vor allem die Suche nach einer neuen Formensprache zu formulieren. Dabei hatte Marc keine großen Lehrer und Vorbilder, aber große und wichtige Freunde, neben Kandinsky und vor allem Macke, mit dem er einen umfassenden Briefwechsel über die neue „Kunsttheorie“ führte, auch Paul Klee und Else Lasker-Schüler.

Zum Heldenbild nationalen Zuschnitts gehört, dass sich Franz Marc freiwillig zum Ersten Weltkrieg gemeldet haben soll, in dem er unweit Verduns am 4. März 1916 starb. Schoeller zweifelt die „Freiwilligkeit“ an und betont, dass der junge Künstler kein Kaisertreuer war, dass ihm all das hoheitsvoll Tümelnde des Wilhelminischen Staates verhasst war. Und weshalb wurde Marc zum Maler der Tiere, des Hundes, Tigers, des „Rehs im Walde“, der berühmten gelben Kuh, den blauen Pferden? Weil Tiere für ihn die ursprüngliche Idee der Schöpfung verkörpern. Wilfried F. Schoeller verschweigt nicht, dass dieser junge Mann in seinem kurzen Leben Rätsel aufgab, ja einfach vieles unvollendet hinterlassen musste. Franz Marc steht am Anfang einer Epoche, in ihm verbinden sich die Ambivalenzen des frühen 20. Jahrhunderts. Die Biografie erscheint im Jahr von Franz Marcs 100. Todestag. (Verena Auffermann)

Wilfried F. Schoeller: Franz Marc. Eine Biographie. Hanser. München, Feb 2016

Samstag, 27. August, 19:00 Uhr, Palais Stutterheim, Innenhof
Eintritt frei!

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